Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die hinreichende Wahrscheinlichkeit zur Anerkennung einer Rotatorenmanschette als Folge eines Arbeitsunfalls

 

Orientierungssatz

1. Für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden sowie zwischen Gesundheitserstschaden und Unfallfolge i. S. eines länger andauernden Gesundheitsschadens ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich und ausreichend.

2. Ist bei einer als Folge eines Arbeitsunfalls geltend gemachten Rotatorenmanschettenruptur nach dem Unfallereignis eine Komplettruptur der Supraspinatussehne gesichert worden, ist aber zu diesem Zeitpunkt eine ausgedehnte, veraltete und degenerativ geprägte Rotatorenmanschettenruptur erwiesen, so ist die geltend gemachte Rotatorenmanschettenruptur als Folge des Arbeitsunfalls nicht anzuerkennen.

 

Normenkette

SGB X § 44 Abs. 1 S. 1; SGB VII § 11 Abs. 3; BGB §§ 133, 157; SGG § 54 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 10. November 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) streitig, ob eine Rotatorenmanschettenruptur rechts als weitere Folge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalles vom 13. Dezember 2007  anzuerkennen ist.

Der 1953 geborene Kläger war ausweislich der Angaben in der Unfallanzeige seines Arbeitgebers vom 3. April 2008 am 13. Dezember 2007 gegen 14:05 Uhr mit Sanierungsarbeiten an einer Zisterne beschäftigt, als er ausrutschte und rückwärts auf beide Arme fiel. Deshalb stellte er sich erstmals am 17. Dezember 2007 bei dem Orthopäden Dipl.-Med. J. vor. Ausweislich seines Befundberichts vom 6. August 2008 machte der Kläger damals zu den Ursachen der Beschwerden keine Angaben. Vermerkt wurde, dass der Patient im Bereich der Schulter seit längerer Zeit über eine zunehmende Einschränkung der Beweglichkeit klage. Dipl.-Med. J. diagnostizierte eine ACG-Gelenksarthrose mit einem ausgeprägten hochstehenden Humeruskopf. Eine Abduktion der rechten Schulter bis 80° war möglich. Die Außenrotation war wie bei einem Impingement schmerzhaft möglich. Unter der Diagnose eines Impingementsyndroms des rechten Schultergelenks und einer ACG-Arthrose rechts erfolgte in der Zeit vom 3. bis 31. Januar 2008 im H.-Kreiskrankenhaus G. eine stationäre Behandlung. Dabei erfolgte operativ eine Rekonstruktion der Rotatorenmanschette rechts. Aufgrund einer postoperativen Wundheilungsstörung mit Infektion waren weitere Eingriffe erforderlich. Laut Operationsbericht vom 4. Januar 2008 wurde eine ausgedehnte, veraltete und degenerativ geprägte Rotatorenmanschettenruptur rechts behandelt. Laut einem Bericht des Chirurgen Dr. E. vom 28. Februar 2008 an die private Unfallversicherung des Klägers wurde ebenfalls eine unfallunabhängig vorbestehende degenerative Rotatorenmanschettenruptur behandelt.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Orthopäde Dr. M. am 28. August 2008 ein Zusammenhangsgutachten. Die vom Kläger angegebene Beschwerdefreiheit des Schultergelenkes vor dem Ereignis beweise nicht die Unversehrtheit der Supraspinatussehne zum Zeitpunkt des Unfallereignisses. Nach dem geschilderten Unfallhergang sei eine Schädigung der Rotatorenmanschette möglich. Das Verhalten des Klägers nach dem Unfallgeschehen spreche gegen einen Zusammenhang, da dieser zunächst noch seine Arbeit fortgesetzt und erst einige Zeit später einen Arzt aufgesucht habe. Bei der orthopädischen Untersuchung am 17. Dezember 2007 sei eine Schulterseitwärtshebung bis 80° möglich gewesen. Ausweislich der bildgebenden Befunde sei eine ausgeprägte Arthrose im Bereich des Schultereckgelenks festgestellt worden. 22 Tage nach dem Unfallereignis habe der Operateur eine ausgedehnte, veraltete und degenerativ geprägte Rotatorenmanschettenruptur rechts beschrieben. Dies spreche entscheidend gegen einen Ursachenzusammenhang.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 die Anerkennung des Ereignisses vom 13. Dezember 2007 als Arbeitsunfall ab und gab zur Begründung an, erst vier Tage nach dem angegebenen Ereignis sei eine Vorstellung beim Arzt erfolgt. Frische Verletzungszeichen seien zu keinem Zeitpunkt gesichert worden. Die Beschwerden am rechten Schultergelenk seien auf eine vorbestehende verschleißbedingte Erkrankung der Rotatorenmanschette zurückzuführen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchbescheid vom 2. Juli 2009 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 13. Dezember 2007 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Zerrung der Schulter rechts an. Mangels Arbeitsunfähigkeit bestehe kein Anspruch auf Leistungen.

Hiergegen erhob der Kläger am 29. Juli 2009 Klage. Das Sozialgericht gab ein Zusammenhangsgutachten beim Orthopäden Dr. Sch. in Auftrag. Dieser verneinte in seinem Gutachten vom 27. Dezember ...

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