Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Krankengeld unter Berücksichtigung des Umfangs der Krankenversicherung

 

Orientierungssatz

1. Ob und in welchem Umfang der Versicherte Krankengeld beanspruchen kann, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestandes für Krankengeld vorliegt.

2. Der Krankengeldanspruch entsteht nach § 46 S. 1 Nr. 2 SGB 5 aufgrund ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Es reicht aus, dass der Versicherte am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld alle Voraussetzungen erfüllt, um spätestens mit Ablauf dieses Tages und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (BSG Urteil vom 16. 12. 2014, B 1 KR 25/14 R).

3. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs aus der Pflichtversicherung als Teilnehmer an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben ist es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird.

4. Folgen der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind grundsätzlich vom Versicherten zu tragen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 9. Juni 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Krankengeld vom 11. Juli 2012 bis 8. Februar 2014 streitig.

Die 1962 geborene Klägerin war bei der Beklagten als Teilnehmerin einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung in der Zeit vom 25. Januar 2010 bis 24. Januar 2011 pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB V≫). Seit dem 17. Januar 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld von der Beklagten. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. bescheinigte am 10. Juli 2012 Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 10. Juli 2012 wegen der Diagnose ICD-10-GM-2012 F25.9 (Schizoaffektive Störung, nicht näher bezeichnet).

Am 9. August 2012 begehrte die Klägerin die Zahlung von Krankengeld ab dem 11. Juli 2012 aufgrund Arbeitsunfähigkeit wegen gesundheitlicher Beschwerden. Sie reichte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Erstbescheinigung - ein, ausgestellt am 11. Juli 2012 von dem praktischen Arzt Dr. R. wegen der Diagnose ICD-10-GM-2012 M54.3 (Ischialgie). Dieser bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum 18. Juli 2012.

Mit Bescheid vom 13. August 2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 11. Juli 2012 bestehe kein Anspruch auf Krankengeld. Aufgrund der Bestätigung des Endes der seit dem 17. Januar 2011 bestehenden Arbeitsunfähigkeit zum 10. Juli 2012 durch Dr. H. habe mit diesem Tag der Fortbestand der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Satz 2 SGB V geendet. Sie möge sich an die Bundesagentur für Arbeit wenden. Die Klägerin erhob Widerspruch mit der Begründung, sie leide seit Monaten unter Schmerzen. Ihr gesundheitlicher Zustand habe sich durch die Umstände generell verschlechtert. Mit Schreiben vom 15. März 2013 räumte die Beklagte ihr Gelegenheit zur Stellungnahme ein und teilte ihr u.a. mit, sie unterliege seit dem 11. Juli 2012 der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und habe damit keinen Anspruch auf Krankengeld ab 12. Juli 2012. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2013 wies sie den Widerspruch zurück.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, sie sei weiterhin arbeitsunfähig gewesen. Ihr behandelnder Arzt habe aufgrund eines Anrufs der Beklagten die Behandlung ihrer Schmerzen im September 2012 abgebrochen. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Höchstanspruchsdauer für Krankengeld am 15. Juli 2012 erreicht worden wäre.

Das Sozialgericht (SG) hat einen Befundbericht des Dr. H. vom 1. Oktober 2014 eingeholt, wonach er am 10. Juli 2012 die Arbeitsunfähigkeit wegen Besserung des Gesundheitszustandes bereits seit Juni 2012 beendet und ab dem 18. September 2012 erneut Arbeitsunfähigkeit wegen Depressionen bis zum 8. Februar 2014 bescheinigt hat. Mit Urteil vom 9. Juni 2015 hat SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein möglicher Krankengeldanspruch habe aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. R. erst ab 12. Juli 2012 entstehen können. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin aber nach § 5 Nr. 13 SGB V - ohne Anspruch auf Krankengeld - versichert gewesen. Ein nachgehender Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V bestehe ebenfalls nicht, weil der Status als Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V der Auffangregelung des § 19 Abs. 2 SGB V vorrangig sei und in Bezug auf das Krankengeld weitere Ansprüche ausschließe.

Mit der Berufung trägt die Klägerin vor, ein Rechtsanwalt habe ihr erklärt, dass Krankengeld nach § 48 Abs. 1 SGB V ohne zeitliche Begrenzung gezahlt werde.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil de...

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