Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. haftungsausfüllende Kausalität. Beweismaß. hinreichende Wahrscheinlichkeit. Rotatorenmanschettenruptur. Ruptur der Supraspinatussehne im Vollbeweis. weitere Gesundheitsschäden: Impingementsyndrom oder ein Schmerzsyndrom
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden sowie zwischen Gesundheitserstschaden und Unfallfolge iS eines länger andauernden Gesundheitsschadens ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich und ausreichend.
2. Ist bei einer als Folge eines Arbeitsunfalls geltend gemachten Rotatorenmanschettenruptur nach dem Unfallereignis eine Ruptur der Supraspinatussehne vollbeweislich nicht gesichert, können weder diese noch gesichert vorliegende Gesundheitsschäden wie ein Impingementsyndrom oder ein Schmerzsyndrom als Folge des Arbeitsunfalls anerkannt werden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 30. August 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit steht die Anerkennung einer Rotatorenmanschettenruptur an der linken Schulter als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 22. Juni 2010 sowie die Gewährung einer Verletztenrente.
Der im Jahr 1957 geborene und zum Unfallzeitpunkt am 22. Juni 2010 als Bauarbeiter beschäftigte Kläger stürzte beim Abladen eines LKW’s von dessen Hinterrad in eine ca. 1,8 m tiefe Baugrube. Die Gesamtfallhöhe betrug ca. 3,00 m. Die Erstaufnahme mit stationärer Weiterbehandlung vom 22. bis 25. Juni 2010 erfolgte im St. G. Klinikum E. Der dortige D-Arzt Dr. E. stellte u.a. oberflächliche Abschürfungen am linken Unterschenkel, beiden Knien, der linken Schulter, dem Kinn sowie eine Prellmarke quer über den Oberbauchbereich fest. Durchgeführte Röntgenergebnisse erbrachten hinsichtlich des Thoraxes, der Schulter links und des linken Unterschenkels keine Skelettverletzungen. Er diagnostizierte multiple Prellungen und ein stumpfes Bauchtrauma (Durchgangsarztbericht vom 22. Juni 2010). Entsprechend dem Bericht des St. G. Klinikum E. vom 24. Juni 2010 wurde der Kläger nach einem unkomplizierten stationären Aufenthalt entlassen.
Wegen persistierender Beschwerden im Thoraxbereich suchte der Kläger am 26. Juli 2010 erneut den D-Arzt Dr. E. auf, der eine Computertomographie veranlasste. Hierbei ergab sich eine Rippenserienfraktur ohne Dislokation beidseits, die mit konservativer Therapie behandelt wurde. Die Beschwerden im Schulterbereich hätten sich deutlich gebessert (Zwischenbericht vom 26. Juli 2010). Am 2. September 2010 erfolgte eine kernspintomographische Untersuchung zum Ausschluss einer Rotatorenmanschettenverletzung. Die Radiologin Dr. Sch. befundete u.a. ein unauffälliges Knochenmarksignal und einen fehlenden Gelenkerguss und weiter eine Arthrose des AC-Gelenkes mit Gelenkerguss sowie eine subacromiales Impingement mit Tendinitis im peripheren Verlauf der Supraspinatussehne, hingegen keinen Sehnenabriss sowie keine Atrophie der Muskulatur und auch die übrigen Muskeln der Rotatorenmanschette seien regelrecht zur Darstellung gekommen. Sie beurteilte bei Zustand nach Traumatendinitis im peripheren Verlauf der Supraspinatussehne mit Gelenkerguss und etwas Verdickung des Acromiums eine möglicherweise posttraumatische Dehiszenz des AC-Gelenks. Ein Hochstand der Klavikula bestehe nicht. Der hieraufhin von der Beklagten zu den unfallbedingten Verletzungen im Bereich der linken Schulter befragte Beratungsarzt Dr. St. teilte mit, dass eine substanzielle knöcherne und eine substanzielle Weichgewebebeschädigung im Bereich des linken Schultergelenks nicht belegt sei (beratungsärztliche Stellungnahme vom 6. Oktober 2010).
Nachdem der Kläger am 2. November 2010 gegenüber der Beklagten Weichteilbeschwerden im Bereich der Schulter beklagte und die Übernahme von Kosten für einen Osteopaten begehrte, befragte die Beklagte erneut einen Beratungsarzt. Dr. M. teilte hieraufhin mit (beratungsärztliche Stellungnahme vom 2. November 2010), dass ausgehend von den Befunden allenfalls ein Schulteranprall wahrscheinlich gemacht werden könne, der laut des MRT-Befundes jedoch zu keinem wesentlichen Schulterbinnenschaden geführt habe. Die anhaltenden Beschwerden des Klägers seien auf unfallunabhängige Veränderungen zurückzuführen. Entsprechend dem MRT-Befund vom 2. September 2010 sei klar, dass die Ursachen für die Beschwerden unfallunabhängig seien. Die Beklagte holte bei der Krankenkasse des Klägers ein Vorerkrankungsverzeichnis ein und Unterlagen bezüglich einer Behandlung der rechten Schulter im Jahre 2007. Am 16. Februar 2011 erfolgte erneut eine kernspintomographische Untersuchung. Hier zeigte sich ein Knochenmarködem am Tuberculum majus im Ansatzbereich der Supraspinatussehne. Okkulte Frakturen lägen nicht vor, hingegen aber ein leichtes peritendinöses Ödem im ansatznah...