Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Erfüllung der Anwartschaftszeit. Versicherungspflichtverhältnis. Strafgefangener. Berücksichtigung von allgemeinen arbeitsfreien Tagen. Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern. Arbeitsentgelt. Beitragsbemessungsgrundlage
Orientierungssatz
Bei der Ermittlung der Anwartschaftszeit gem § 142 Abs 1 SGB 3 sind bei versicherungspflichtigen Gefangenen iS von § 26 Abs 1 Nr 4 S 1 SGB 3 allgemein arbeitsfreie Tage, an denen der Strafgefangene kein Arbeitsentgelt erhalten hat, zu berücksichtigen, wenn es zu keiner Unterbrechung der Beschäftigung gekommen ist.
Normenkette
SGB III § 26 Abs. 1 Nr. 4, § 136 Abs. 1 Nr. 1, § 137 Abs. 1, § 142 Abs. 1 S. 1; StVollzG § 37 Abs. 4, § 41 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 17. Juni 2013 sowie der Bescheid vom 22. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 7. Februar 2012 bis zum 6. August 2012 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das gesamte Verfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 7. Februar 2012 bis zum 6. August 2012 im Umfang von mehr als 750 Euro.
Der 1983 geborene Kläger befand sich in der Zeit vom 1. April 2009 bis zum 25. Oktober 2011 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) G. (Untersuchungshaft) und in der Justizvollzugsanstalt T. (Strafhaft).
In der Zeit vom 19. Juni 2009 bis 7. Oktober 2009 war er in G. als Hauswirtschafter tätig.
Vom 2. November 2009 bis zum 24. Juni 2011 war er bei der Firma W.-K.-T., einem Unternehmerbetrieb der JVA T., - mit Ausnahme der arbeitsfreien Tage - ohne Unterbrechung tätig.
Ausweislich der Arbeitsbescheinigungen der JVA G. vom 7. Oktober 2009 und der JVA T. vom 20. Oktober 2011 wurden für den Kläger in den letzten fünf Jahren vor der jeweiligen Entlassung Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet. Versicherungspflicht habe in der Zeit vom 19. Juni 2009 bis zum 7. Oktober 2009 und in der Zeit vom 2. November 2009 bis zum 24. Juni 2011 bestanden, soweit für diese Tage Arbeitsentgelt gezahlt worden sei (vgl. Blatt 10 und 12 der Verwaltungsakte der Beklagten).
Unterbrechungen der Beschäftigung haben insoweit nicht stattgefunden.
Der Kläger beantragte am 7. Februar 2012 unter gleichzeitiger Arbeitslosmeldung die Zahlung von Arbeitslosengeld.
Die Beklagte lehnte die Zahlung ab, weil der Kläger in den letzten zwei Jahren vor dem 7. Februar 2012 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig tätig gewesen sei und deshalb die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe (Bescheid vom 22. Februar 2012, vgl. Blatt 1 der Verwaltungsakte der Beklagten).
Der Kläger legte hiergegen am 25. Februar 2012 Widerspruch ein und wies in diesem Zusammenhang auf die seiner Auffassung nach unzutreffende Ermittlung der versicherungspflichtigen Zeiten hin (vgl. Blatt 21 der Verwaltungsakte der Beklagten).
Der Leiter der JVA T. teilte dem Kläger unter dem 29. Februar 2012 mit, bei den in der ausgehändigten Arbeitsbescheinigung dargestellten Zeiträumen handele es sich um Zeiträume, in denen Beitragspflicht (Versicherungspflicht) bestanden habe. Grundlage für die Beitragsbemessung sei § 26 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit der Gefangenenbeitragsverordnung (BGBl. 1998 Teil I Nr. 14, S. 430). Danach bestehe Beitragspflicht für Zeiten, für die der Gefangene Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe nach dem Strafvollzugsgesetz erhalten habe. Diese Zeiten seien in der Arbeitsbescheinigung aufgeführt. An den nicht aufgeführten Tagen habe er nicht gearbeitet und daher keine Vergütung erhalten. Insofern seien diese Tage nicht aufgeführt. Eine Unterbrechung der Beschäftigung habe jedoch nicht stattgefunden.
Unabhängig von der Beitragspflicht würden für die Versicherungszeit arbeitsfreie Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage gelten, wenn diese Zeiten innerhalb eines zusammenhängenden beitragspflichtigen Arbeits- oder Ausbildungsabschnittes liegen würden. Er verweise auf die beigefügte Kopie der Anlage 3 zur Geschäftsanweisung zur Verwaltungsvorschrift für die Verwaltungsabteilung Arbeitsverwaltung in den Justizvollzugseinrichtungen des Freistaates Thüringen (vgl. Blatt 20 der Verwaltungsakte der Beklagten).
Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück. Innerhalb der Rahmenfrist seien nur 329 Kalendertage zu berücksichtigen, in denen der Kläger versicherungspflichtig tätig gewesen sei (Widerspruchsbescheid vom 15. März 2012, vgl. Blatt 22 der Verwaltungsakte der Beklagten).
Der Kläger hat hiergegen am 27. März 2012 Klage erhoben. Zur Erfüllung der Anwartschaftszeit sei es nicht erforderlich, dass der Arbeitslose in der Rahmenfrist 360 Beschäftigungstage zurückgelegt habe. Vielmehr sei es ausreichend, wenn er mindestens 36...