Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Freistellungsanspruch. Umwandlung in Zahlungsanspruch nach Abtretung an den Bevollmächtigten. Aufrechnung. Verwaltungsakt. Zuordnung der Erstattungskosten bei mehreren Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft
Orientierungssatz
1. Der Kostenerstattungsanspruch des Widerspruchsführers stellt einen Freistellungsanspruch dar, der sich durch die Abtretung in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Eine solche Veränderung des Anspruchsinhalts steht der Abtretung aber nicht entgegen, wenn der Freistellungsanspruch gerade an den Gläubiger der zu tilgenden Schuld abgetreten wird (vgl BGH vom 22.3.2011 - II ZR 271/08 = BGHZ 189, 45).
2. Will der Leistungsträger durch Verwaltungsakt über eine Aufrechnung entscheiden, so muss er dies eindeutig zum Ausdruck bringen. Erfolgt die Aufrechnung lediglich durch eine schlicht-öffentliche Erklärung, liegt dementsprechend auch kein Verwaltungsakt vor.
3. Die Zuordnung der zu erstattenden Kosten zu den einzelnen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft hat danach zu erfolgen, zu welchen Kopfteilen sie jeweils am Rechtsstreit beteiligt waren. Bei der Vertretung mehrerer Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft in derselben Angelegenheit bemisst sich der Erstattungsanspruch des Einzelnen nach seinem Anteil an den Gesamtkosten, die für den gemeinsamen Bevollmächtigten aufzuwenden sind.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Mai 2017 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere EUR 46,49 zu zahlen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 80%, der Beklagte 20%.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf EUR 243,95 festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens.
Die vom Kläger vertretene Hilfeempfängerin zu 1) ist die Mutter und allein sorgeberechtigter Elternteil der minderjährigen Hilfeempfängerin zu 2). Der Kläger erhob als deren Bevollmächtigter Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. November 2013 (Ablehnung der Zusicherung zum Umzug). Dem Widerspruch vom 05. Dezember 2013 (Bl. 1169 d. VwA.) beigefügt war eine von der Hilfeempfängerin zu 1) unterzeichnete Vollmacht vom 28. November 2013, die folgenden Zusatz enthielt: „Mit dieser Vollmacht werden zugleich alle entstehenden Kostenerstattungsansprüche nach § 63 SGB X und §§ 193, 197 SGG an den mandatierten Anwalt abgetreten.“. Mit Widerspruchsbescheid vom 03. März 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und erklärte sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag zur Hälfte zu erstatten. Der Kläger machte daraufhin im eigenen Namen einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von EUR 243,95 geltend (Geschäftsgebühr von EUR 300,00, Erhöhungsgebühr für einen weiteren Auftraggeber, Auslagenpauschale von EUR 20,00 zzgl. Umsatzsteuer, wobei die Kostennote einen Rechenfehler und lediglich einen Betrag von EUR 190,40 aufweist). Der Beklagte erkannte die geltend gemachten Kosten in Höhe von EUR 243,95 als erstattungsfähig an und rechnete gegenüber der Hilfeempfängerin zu 1) mit einer Forderung aus dem bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 29. August 2013 (Bl. 1139 d. VwA., Erstattungsforderung gegenüber der Hilfeempfängerin zu 1): EUR 746,71, gegenüber der Hilfeempfängerin zu 2): EUR 75,49) auf (Schreiben vom 11. März 2014, Bl. 24 d. A.). Die Hilfeempfängerin legte gegen das Schreiben Widerspruch ein, der durch Widerspruchsbescheid vom 21. März 2014 als unzulässig verworfen wurde. Im anschließenden Klageverfahren hat die Hilfeempfängerin die Klage nach einem Hinweis des Gerichts zurückgenommen (S 19 AS 883/14, Sozialgericht Meiningen). Mit seiner am 09. November 2015 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Aufrechnungserklärung beinhalte einen Verwaltungsakt. Die erforderliche Ermessensausübung sei nicht ansatzweise erkennbar. Die Aufrechnung gehe ins Leere, weil die Hilfeempfängerin zu 1) nicht mehr Inhaber der Forderung sei.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 29. Mai 2017 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Aufrechnungserklärung stelle keinen Verwaltungsakt dar, die Forderung sei nach § 387 BGB erloschen.
Gegen das am 06. Oktober 2017 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die am 16. Oktober 2017 beim Landessozialgericht eingegangen ist und mit der er unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags sein Begehren weiterverfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 29. Mai 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 243,95 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Stre...