Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. selbstständig Tätiger. Existenzgründerphase. Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1a S 1 Nr 1 SGB 6
Orientierungssatz
§ 6 Abs 1a S 1 Nr 1SGB 6 ist dahingehend auszulegen, dass bei der Entscheidung über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht von selbstständig Tätigen im Hinblick auf den Beginn des Dreijahreszeitraums zunächst auf den Eintritt der Versicherungspflicht des Selbstständigen nach § 2 S 1 Nr 9 SGB 6 abzustellen ist und nicht auf den Zeitpunkt, zu dem erstmalig eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen wurde.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist noch, ob der Kläger vom 1. Juni 2007 bis 31. Dezember 2007 und vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009 von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu befreien ist, ferner ob der Kläger verpflichtet ist, für die Zeiträume vom 1. Juni 2007 bis 31. Dezember und vom 1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.
Der Kläger ist 1969 geboren und von Beruf Versicherungsfachmann. Er schloss am 9. Oktober 2003 mit der A. Versicherungs-Aktiengesellschaft einen Vertretungsvertrag. Auf Grundlage dieses Vertrages war er vom 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2006 als Handelsvertreter für die A. Versicherungs-AG tätig. Gegenstand des Vertrages war die Vermittlung von Versicherungen und Finanzdienstleistungen der A. Versicherungs-AG und deren Kooperationspartner. Laut der Gewerbeanmeldung vom 19. November 2003 meldete der Kläger ein Gewerbe als Vermittlungsagentur, Vermittlung von Geldanlagen in R. an. Bis zum 30. Juni 2006 beschäftigte der Kläger eine Mitarbeiterin als Büroleiterin im Umfang von 40 Stunden pro Woche mit einem monatlichen Gehalt von 1.000,00 Euro. Ab dem 1. Juli 2006 wurde die Büroleiterin nur noch im Umfang von 14,5 Stunden pro Woche mit einem monatlichen Gehalt von 165,00 Euro beschäftigt. Diese erzielte auch aus anderen Beschäftigungsverhältnissen kein Arbeitsentgelt mit zusammen über 400,00 Euro monatlich.
Unter dem 10. November 2006 schloss der Kläger eine Vertriebsvereinbarung mit der H.-Krankenversicherung aG. Er war für diese Firma ab 1. Januar 2007 als Handelsvertreter tätig. Nach diesem Vertrag war der Kläger mit der Vermittlung von Versicherungen und Finanzdienstleistungen der H.-Krankenversicherung aG und deren Kooperationspartnern zuständig. Der Kläger meldete in diesem Zusammenhang ein Gewerbe mit der Tätigkeit als Versicherungsvertreter und der Vermittlung von Geldanlagen bei der Stadt Z.-T. als Wiedereröffnung nach Verlegung aus einem anderen Meldebezirk an.
Mit Eingang am 14. Mai 2007 bei der Beklagten füllte der Kläger einen Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung kraft Gesetzes als selbständig Tätiger aus. Er gab an, seit dem 1. Dezember 2003 Versicherungen zu vermitteln und keine Arbeitnehmer zu beschäftigen. Mit Schreiben vom 25. Mai 2007 teilte die Beklagte mit, dass nach ihren Feststellungen die Möglichkeit bestehe, dass der Kläger aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Versicherungsfachmann ab dem 1. Dezember 2003 versicherungspflichtig sei. Es würden noch weitere Unterlagen benötigt. Ferner teilte die Beklagte mit, dass die Möglichkeit zu einkommensgerechten Beitragszahlungen bestehe und eine befristete Befreiung nicht erfolgen könne.
Am 1. Juni 2007 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass er vom 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2006 einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt habe.
Der Kläger beantragte die einkommensgerechte Beitragszahlung und legte eine vorläufige Gewinnermittlung für das Jahr 2006 vor.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2007 stellte die Beklagte fest, dass für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 30. Juni 2006 keine Versicherungspflicht bestanden habe, weil der Kläger im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit mindestens einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt habe. Ab dem 1. Juli 2006 bestehe wieder Versicherungspflicht. Mit Bescheid, ebenfalls auf den 16. Juli 2007 datiert, setzte die Beklagte die monatliche Beitragshöhe ab dem 1. Juli 2006 auf 204,95 Euro und ab dem 1. Juli 2007 auf 210,47 Euro fest.
Hiergegen legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, die erstmalige Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit sei am 1. Dezember 2003 erfolgt und die Versicherungspflicht beginne unter Berücksichtigung einer dreijährigen Freistellung damit erst am 1. Dezember 2006.
Die Beklagte wertete diesen Widerspruch als Antrag auf befristete Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis zum 30. November 2006 und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. November 2007 ab. Hiergegen legte der Kläger wiederum Widerspruch ein und führte unter anderem aus, er hab...