Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht: Fortwirkung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei in der ehemaligen DDR tätigen Selbständigen
Orientierungssatz
Ein selbständig Tätiger, der seine Tätigkeit auf dem Gebiet der früheren DDR bereits vor dem 1.1.1992 ausübte und dabei nach den damals bestehenden Regelungen auch als Selbständiger sozialversicherungspflichtig war, bleibt bei unveränderter Ausübung der selbständigen Tätigkeit ausnahmsweise versicherungspflichtig, soweit er nicht bis zum 31.12.1994 erklärt hatte, dass die Versicherungspflicht enden soll.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 30. Juni 2010 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben sich gegenseitig keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger bei der Beklagten versicherungspflichtig ist.
Im November 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Zeiten in seinem Versicherungskonto ab 1. Januar 2004 unbelegt seien und bat um entsprechende Mitteilung. In der Folge teilte der Kläger mit, dass er seit dem 1. April 1986 mit einem Taxibetrieb selbständig ist und legte eine entsprechende Gewerbegenehmigung vor. Auf weitere Anfragen der Beklagten reagierte der Kläger nicht. Mit Bescheid vom 7. September 2007 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht des Klägers ab dem 1. Januar 1992 fest und teilte mit, dass die ab dem 1. Dezember 2002 angefallenen Beiträge vom Kläger nachgefordert werden. Für den Zeitraum Januar 1992 bis November 2002 teilte sie mit, dass die Verjährung eingetreten ist.
Der Kläger legte hiergegen am 18. September 2007 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2008 zurückgewiesen wurde.
Im darauffolgenden Klageverfahren übersandte der Kläger seine Einkommensteuerbescheide der Jahre 1991, 2002 bis 2008. Außerdem teilte er mit, dass er im Zeitraum des Jahreswechsels 1991 zu 1992 gleichzeitig zu seiner selbständigen Tätigkeit in einem nichtselbständigen Arbeitsverhältnis als Fahrlehrer bei der Firma H.W.in O. beschäftigt war. Er habe aus dieser Tätigkeit im Dezember 1991 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 652,07 DM erzielt. Die nichtselbständige Tätigkeit sei nicht zum 31. Dezember 1991 beendet worden, wie der beigefügte Lohnzettel für Januar 1992 belege.
Die Beklagte erließ daraufhin am 5. Januar 2010 einen Änderungsbescheid. Darin wurde festgestellt, dass der Kläger aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit am 31. Dezember 1991 versicherungspflichtig gewesen ist. In der Zeit vom 1. November 2005 bis 30. Juni 2008 bestand Versicherungsfreiheit, da der Kläger nur geringfügig selbständig tätig war. Ab dem 1. Juli 2008 bestand wieder Versicherungspflicht und ab dem 1. Dezember 2008 Versicherungsfreiheit. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tag wurden für den Zeitraum 1. Dezember 2002 bis 30. November 2008, soweit Versicherungspflicht bestand, offene Beiträge in Höhe von insgesamt 5.583,58 € vom Kläger gefordert.
Das Sozialgericht hat der gegen die Annahme von Versicherungspflicht gerichteten Klage mit Urteil vom 30. Juni 2010 stattgegeben und den Bescheid vom 7. September 2007 in Form des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2008 und des Änderungsbescheides vom 5. Januar 2010 aufgehoben.
Mit der dagegen gerichteten Berufung vertritt die Beklagte die Ansicht, dass das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses neben der selbständigen Tätigkeit im Januar 1992 für das Bestehen der Versicherungspflicht unerheblich ist.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf sein erstinstanzliches Vorbringen und die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts Meiningen, die er sich zu Eigen macht. Vorsorglich weise er nochmals darauf hin, dass er bei der Beklagten einen schriftlichen Befreiungsantrag gestellt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Verwaltungsakte lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben. Der Kläger ist versicherungspflichtig, wie die Beklagte letztlich mit Änderungsbescheid vom 5. Januar 2010 zutreffend festgestellt hat.
Der Kläger ist gemäß § 229 a Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - versicherungspflichtig.
Gemäß § 229 a Abs. 1 SGB VI bleiben Personen, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig waren, nicht ab dem 1. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden sind und nicht bis zum 31. Dezember 1994 beantragt haben, dass die Versicherungspflicht enden soll, in der jeweiligen Tätigkeit oder für die Zeit des Leistungsbezuges versicherungspflichtig.
Der Kläger war trotz seiner seit 1986 ausgeübten selbständigen Tätigkei...