Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Gesundheitserstschaden. geeigneter Unfallhergang. Achillessehnenruptur

 

Orientierungssatz

1. Zum Nichtvorliegen eines Arbeitsunfalles mangels Vorliegens eines geeigneten Unfallherganges, der zu einem Erstschaden (hier: Achillessehnenruptur) hätte führen können.

2. Traumatische Verletzungen der Achillessehne sind nur bei einem Schlag bzw Tritt gegen die vorgespannte Sehne oder einer plötzlichen Verlängerung der Muskel-Sehnen-Einheit mit gleichzeitiger Kontraktion des Muskels (zB Sturz nach vorn bei dabei fixiertem Fersenbein unter gleichzeitiger fußrückwärtiger Belastung des Fußes) denkbar. Abläufe wie Schieben, Gegenstemmen, Heben, Tragen, Sprung aus der Hocke sind hingegen nicht willkürlich gesteuerte Belastungen der Sehne und damit als Gelegenheitsanlässe und nicht Unfallereignisse anzusehen. Entsprechende Abläufe können die Sehne nicht gefährden, es fehlt hierbei bereits an der physiologisch-naturwissenschaftlichen Kausalität.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 8. Dezember 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Anerkennung des Ereignisses vom 29. März 2012 als Arbeitsunfall sowie die Anerkennung einer Achillessehnenruptur rechts als hieraus resultierende Unfallfolge.

Der im Januar 1957 geborene Kläger versuchte am 29. März 2012 in seinem landwirtschaftlichen Betrieb, mit dem er bei der Beklagten versichert ist, einen Tandemachsanhänger vom Hof rückwärts in die Garage zu schieben. Dabei kam es zu einer Ruptur der rechten Achillessehne. Den behandelnden Ärzten gegenüber gab der Kläger an, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Er habe unter größter Anstrengung einen schweren Hänger schieben wollen. Daraufhin wurde im Rahmen der Operation geschädigtes Sehnengewebe entnommen und in weiterer Folge histologisch untersucht. Der histologische Befund vom 4. April 2012 weist morphologische Zeichen einer geringen bis mittelgradigen degenerativen Vorschädigung aus.

Mit seiner Unfallanzeige vom 6. August 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er beim Rangieren des Anhängers durch körperlichen Einsatz die Achillessehne des rechten Beines abgerissen habe. Er habe versucht, den Anhänger zu verschieben, nachdem er diesen entladen habe. Der Beratungsarzt der Beklagten D. führte in seiner Stellungnahme vom 14. Oktober 2012 aus, nach dem geschilderten Unfallhergang könne nicht von einer traumatischen Achillessehnenruptur ausgegangen werden. Eine ausführliche Beschreibung des Hergangs liege nicht vor; deshalb sei eine Zusammenhangsbegutachtung sinnvoll. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 forderte die Beklagte den Kläger auf, den Unfallhergang ausführlich zu schildern und insbesondere Angaben darüber zu machen, in welchem Ausmaß das rechte Bein belastet worden sei und informierte ihn, dass beabsichtigt sei, eine Zusammenhangsbegutachtung zu veranlassen. In seinem Gutachten zur Zusammenhangsfrage vom 8. Februar 2013 führte Dr. W. aus, der Kläger habe zum Geschehenshergang befragt mitgeteilt, dass er den Hänger nach dem Abladen geschoben habe. Dabei habe er einen plötzlichen Schlag in der rechten Ferse verspürt. Auf ausdrückliche Nachfrage habe der Kläger angegeben, er sei weder abgerutscht, umgeknickt oder in ein Loch getreten. Das Schieben unter Einsatz des Körpergewichts führe zwar zur Anspannung der Achillessehne. Es handele sich aber um eine physiologische Anspannung der Sehne, für die diese ausgelegt sei. Sie sei willentlich gesteuert und nicht überraschend. Ein Überraschungsmoment (z.B. Tritt in den Boden) sei vom Kläger ausdrücklich nicht angegeben worden. Die Sehne sei durch degenerative Veränderungen bereits soweit geschädigt gewesen, dass sie der physiologischen Belastung nicht mehr standgehalten habe. Es entspreche allgemein anerkannter unfallchirurgisch-orthopädischer Auffassung, dass mit einer willentlich gesteuerten Kraftanstrengung eine in ihrer Struktur intakte Sehne nicht zerrissen werden könne; ein überfallartiges Geschehen habe nicht vorgelegen. Die Achillessehnenruptur sei daher nicht unfallbedingt. Ein Vorschaden habe nicht vorgelegen, jedoch eine Schadensanlage im Sinne der degenerativen Veränderungen, die letztlich ursächlich für die Achillessehnenruptur gewesen sei. Bei dem Ereignis habe es sich um eine Gelegenheitsursache gehandelt. Auch ohne dieses Ereignis wäre es durch normale Verrichtungen des privaten täglichen Lebens zu etwa derselben Zeit bzw. in naher Zukunft zu einem gleichen Schaden gleichen Ausmaßes gekommen.

Mit Bescheid vom 27. Februar 2013 lehnte die Beklagte eine Entschädigung des Ereignisses vom 29. März 2012 ab, weil ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 11. März 2013 und 28. Mai 2013 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass e...

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