Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung. Fahrtkosten. Teilnahme an Studie zur Erprobung eines zulassungsbedürftigen Medikaments. Studien der Phase III. Off-Label-Use

 

Leitsatz (redaktionell)

Für einen Anspruch auf die Erstattung von Fahrtkosten, die aufgrund der Teilnahme an Studien zur Erprobung eines zulassungsbedürftigen Medikaments entstehen, gegen die gesetzlichen Krankenkassen exisitiert keine Rechtsgrundlage.

 

Normenkette

SGB V § 60 Abs. 1 S. 1, § 27 Abs. 1 Sätze 1-2, § 137c Abs. 1 S. 2; AMG § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Altenburg (Gerichtsbescheid vom 18.04.2002; Aktenzeichen S 14 KN 1713/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 18. April 2002 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Fahrtkosten im Zeitraum vom 4. April bis 23. Mai 2001 zu einer stationären Behandlung im Rahmen einer Arzneimittelstudie unter Anwendung des in Deutschland zu dieser Zeit nicht zugelassenen Arzneimittels Glivec(r) (Hersteller Novartis Pharma).

Der in G. wohnhafte Kläger leidet seit mindestens 1998 u.a. an einem hepatisch und abdominell metastasierten gastrointestinalen Stromatumor (GIST). Ausweislich des Arztbriefes des Universitätsklinikums C., R.-Klinik am M.-Zentrum für Molekulare Medizin (Prof. Dr. D., Dr. R., Dr. P.), B., vom 30. März 2001 befand er sich seit dem 27. März 2001 in dortiger stationärer Behandlung und erklärte sich zur Teilnahme an der EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer) Studie Nr. 62005 bereit. Hierbei handelt es sich um eine internationale Phase III randomisierte multizentrische Studie zur Bestimmung der Relation zwischen Dosis und klinischer Aktivität (Dosisfindungsstudie) bei GIST-Patienten, die mit dem Enzymhemmer STI-571 (Imatinib, vom Hersteller Novartis Pharma unter der Handelsbezeichnung Glivec(r) vertrieben) in niedriger Dosis (Arm A: 400 mg pro Tag) und – wie der Kläger – in hoher Dosis (Arm B: zweimal 400 mg pro Tag) behandelt werden bis die Erkrankung progredient ist oder davon auszugehen ist, dass der Patient von der Therapie nicht mehr profitiert. Die Abgabe des oral zu verabreichenden Medikaments erfolgte kostenlos.

Da die am 29. März 2001 eingeleitete Therapie innerhalb der ersten zwei Monate eine wöchentliche Blutentnahme in der R.-Klinik erforderte, reiste der Kläger am 4., 11., 18., 25. April sowie am 2., 9., 16. und 23. Mai 2001 jeweils mit dem PKW von seinem Wohnort an, wobei er nach eigenen Angaben für die Hin- und Rückfahrt jeweils insgesamt 800 km zurücklegte.

Den unter dem 18. April 2001 durch Dr. P. gestellten Antrag auf Fahrtkostenübernahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Mai 2001 mit der Begründung ab, dass es sich bei Teilnahme an einer medizinischen Studie nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handele. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. August 2001).

Das Sozialgericht Altenburg hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. April 2002 u.a. mit der Begründung abgewiesen, ein Anspruch auf Fahrtkosten sei nicht gegeben, weil es sich bei der medizinische Studie nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handele.

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger für acht Hin- und Rückfahrten zu 800 Kilometern bei 0,16 EUR/Kilometer einen Gesamtbetrag von 1.024,00 EUR und trägt vor, das Medikament Glivec(r) sei seit Mai 2002 in Deutschland für die Behandlung von GIST zugelassen. Er habe es noch bis April 2003 eingenommen. Hierbei habe die Beklagte die außerhalb des Zeitraums vom 4. April bis 23. Mai 2001 entstandenen stationären Behandlungskosten (vierteljährliche Kontrolluntersuchungen für zwei bis drei Tage) und die entsprechenden Fahrtkosten erstattet. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei zwar geklärt, dass die vertragsärztliche Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der klinischen Prüfung ausscheide. Dies gelte nicht für die Übernahme von entsprechenden Fahrkosten. Seine einzige Überlebenschance habe in der Einnahme von STI-571 bestanden, dessen Wirksamkeit sich bereits aus Phase I- und Phase-II-Studien ergeben habe. Die Phase-III-Studie sei als Heilversuch zu qualifizieren, welche den Gesundheitszustand des Klägers verbessert und seine Lebenserwartung verlängert habe, so dass seine Situation mit jener der so genannten Off-Label-Use-Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19. März 2002 – Az.: B 1 KR 37/00 R) vergleichbar sei. Insoweit und angesichts des Umstandes, dass die Beklagte die Kosten einschließlich der entsprechenden Fahrtkosten zu den stationären Nachkontrollen und andere Krankenkassen ihren an den Studien beteiligten Mitgliedern sämtliche Fahrtkosten erstattet hätten, sei eine Kostenerstattung durch die Beklagte angemessen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 18. Apr...

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