Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Nachzahlung von Leistungen in Ausführung eines Gerichtsbescheides. Widerspruch gegen den Ausführungsbescheid wegen stillschweigender Ablehnung eines Zinsanspruchs. Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig und Überweisung des Zahlbetrags aus dem Zinsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Bewilligt ein Leistungsträger einen Nachzahlungsbetrag durch Verwaltungsakt, ist allein darin ohne besondere Anhaltspunkte im Einzelfall nicht zugleich eine stillschweigende Ablehnung eines Zinsanspruchs nach § 44 SGB 1 zu sehen (aA BSG vom 11.9.1980 - 5 RJ 108/79; offen gelassen: BSG vom 25.1.2011 - B 5 R 14/10 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 15).

 

Orientierungssatz

Zur Beantwortung der Frage, ob ein Widerspruch erfolgreich iS des § 63 Abs 1 S 1 SGB 10 ist, ist nicht allein auf den Verfügungssatz im Widerspruchsbescheid abzustellen, sondern der Erfolg des eingelegten Widerspruchs ist am tatsächlichen Verfahrensgang nach den §§ 78 ff SGG zu messen (vgl BSG vom 2.11.2012 - B 4 AS 97/11 R = EuG 2013, 485). Danach käme es in Betracht, allein in der faktischen Abhilfe eines Widerspruchs trotz dessen Verwerfung als unzulässig eine tatsächliche Stattgabe zu sehen.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 3. September 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten der Berufung sind auch nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten isoliert über die Erstattung der Kosten für zwei Widerspruchsverfahren.

Mit Gerichtsbescheiden vom 16. Juni 2010 (S 37 AS 1150/10) und 17. Juni 2010 (S 37 AS 2954/10) verurteilte das Sozialgericht Gotha (SG) den Beklagten dazu, dem Kläger für den Zeitraum vom 2. September 2009 bis 31. August 2010 (jeweils ein Bewilligungszeitraum von sechs Kalendermonaten) einen höheren Zuschuss zur privaten Krankenversicherung nach Maßgabe des hälftigen Anteils des Basistarifes zu zahlen.

Der Beklagte nahm die hiergegen zunächst eingelegten Berufungen zurück und erließ für die Bewilligungszeiträume gesondert zwei Ausführungsbescheide vom 1. August 2011, mit denen er den höheren Zuschuss dem Kläger bewilligte. Ausführungen zu einem Zinsanspruch nach § 44 SGB I enthielten die vorbenannten Bescheide nicht.

Die gegen die Ausführungsbescheide allein wegen des Zinsanspruchs eingelegten Widersprüche des anwaltlich vertretenen Klägers verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 18. November 2011, laut abgezeichneten Aktenvermerken abgesandt an die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 21. November 2011, als unzulässig und lehnte eine Erstattung der Kosten der Widerspruchsverfahren nach § 63 SGB X ab. Zur Begründung führte er aus, die Ausführungsbescheide hätten keine Regelung zu einem Zinsanspruch enthalten. Über einen Zinsanspruch sei nicht zwingend zusammen mit der Hauptleistung zu entscheiden. Zugleich teilte er der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 mit, für den Zeitraum vom 2. September 2009 bis 8. März 2010 einen Zahlbetrag zur Erfüllung des Zinsanspruchs auf das Konto des Klägers überwiesen zu haben.

Allein gegen die Kostenentscheidungen in den Widerspruchsbescheiden hat der Kläger am 22. Dezember 2011 bei dem SG die später zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Klagen erhoben. Das SG hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung die Klagen mit Urteil vom 3. September 2012, dem Kläger zugestellt am 6. September 2012, als unbegründet abgewiesen. Gestützt hat es seine Rechtsauffassung darauf, dass der Beklagte weder zur Zinszahlung verurteilt worden sei noch der Kläger bereits eine Zinszahlung in den vorangegangenen Verfahren beantragt habe. Auch könnten dem Kläger keine erstattungsfähigen Kosten für das Widerspruchsverfahren entstanden sein, weil auf Grund der nachträglich beantragten Beratungshilfe allenfalls der Prozessbevollmächtigten selbst aus übergegangenem Recht ein Kostenerstattungsanspruch zustehen würde.

Der Senat hat auf die am Montag, 8. Oktober 2012 bei dem Thüringer Landessozialgericht eingelegte Beschwerde des Klägers die Berufung gegen das Urteil des SG vom 3. September 2012 zugelassen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftlich einverstanden erklärt.

Der Kläger weist darauf hin, dass entgegen der Auffassung des SG eine Verzinsung seines Nachzahlungsanspruchs von Amts wegen zu erfolgen habe. Auf einen entsprechenden Antrag komme es daher nicht an. Aktiv legitimiert sei der Kläger, weil erst aufgrund einer für ihn erfolgreichen Kostengrundentscheidung der Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten auf seine Prozessbevollmächtigte nach § 9 BerHG übergehen würde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 3. September 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung der Widerspruchsbescheide vom 18. November 2011 ihm die Kosten der Widerspruchsverfahren zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückz...

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