Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB 7. Leistungen ambulanter medizinischer Rehabilitation. besondere Rehabilitationseinrichtung. ganzheitlich orientiertes, komplexes und individuelles Konzept. ärztliche Verantwortung und Mitwirkung des Reha-Teams. physiotherapeutische Praxis

 

Leitsatz (amtlich)

Für ambulante Maßnahmen besteht nur hinsichtlich der Rehabilitation Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII.

2.Leistungen ambulanter (§ 40 SGB V) medizinischer Rehabilitation werden erbracht durch besondere Rehabilitationseinrichtungen. Da auch ambulante Rehabilitationsleistungen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V generell in „Rehabilitationseinrichtungen“ erbracht werden, gilt auch hier, dass der Inhalt der medizinischen Leistungen auf der Grundlage eines ganzheitlich orientierten, komplexen und individuellen (vgl. §§ 4 Abs. 1 Nr. 4 u. Abs. 2, 8 Abs. 1 u. 3, 42 Abs. 3 SGB IX) unter ärztlicher Verantwortung und Mitwirkung des Reha-Teams (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V) erstellten Konzepts zu erfolgen hat. Diese Kriterien erfüllt eine physiotherapeutische Praxis nicht.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 20. Januar 2022 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger am 21. August 2017 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Am 22. Oktober 2018 ging bei der Beklagten der Durchgangsarztbericht des K vom 17. Oktober 2018 ein, wonach der Kläger am 21. August 2017 mit dem Motorrad auf dem Weg zur Physiotherapie unterwegs war, als ein entgegenkommender Pkw links abbog, ihm die Vorfahrt nahm, er stürzte und Trümmerbrüche an beiden Handgelenken erlitt. Der Kläger teilte der Beklagten telefonisch ergänzend mit, er habe seit dem 24. Juli 2017 nach einer vorangegangenen Schultererkrankung eine stundenweise betriebliche Wiedereingliederung im eigenen Betrieb absolviert. Der Beginn der vollen Arbeitsaufnahme sei für den 4. September 2017 geplant gewesen. Die Schultererkrankung sei keine Verletzung infolge eines Arbeitsunfalls gewesen. Die I teilte der Beklagten mit, der Kläger sei bereits seit dem 16. März 2017 arbeitsunfähig gewesen. Vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit habe er ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Firma S GmbH ausgeübt. Sie habe am Unfalltag keine Kosten für eine medizinische Rehabilitation bzw. Heilmittel übernommen. Die Behandlung sei höchstwahrscheinlich vom Rentenversicherungsträger gezahlt worden. Die Praxis W bestätigte einen vereinbarten Termin zur ambulanten Physiotherapie in der Praxis am 21. August 2017. Der Kläger sei bereits seit 2015 bei ihr in physiotherapeutischer Behandlung. Grund hierfür sei eine Rotatorenmanschettenverletzung der rechten Schulter.

Mit Bescheid vom 29. November 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe am 21. August 2017 keinen Versicherungsfall erlitten. Ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe nicht. Der grundsätzlich mögliche Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) greife nicht ein. Bei der ihm verordneten ambulanten Krankengymnastik handle es sich nicht um eine interdisziplinäre, komplexe und ganzheitlich ausgerichtete Rehabilitationsmaßnahme, sondern um eine isolierte, kurative (heilende) Behandlung als ergänzende Leistung zur medizinischen Rehabilitation auf der Grundlage des § 43 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Die Durchführung auf dieser gesetzlichen Grundlage sei nicht vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung erfasst. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und vertrat die Ansicht, auch für ambulant durchgeführte Therapien bestehe Versicherungsschutz. Insoweit dürfte es nicht ausschließlich darauf ankommen, wie die konkrete Leistung zu bezeichnen sei, sondern vielmehr auf den Sinn und Zweck der Vorschrift und die Intention des Gesetzgebers. Er verweise hierzu auf das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 2014 (L 14 U 702/13). Der Versicherte solle gegen die besonderen Risiken geschützt werden, die sich aus der Entgegennahme der Behandlung bzw. dem Verweilen in fremder Umgebung ergäben und denen er bei im Normalfall anzutreffenden häuslichen Gegebenheiten nicht begegnet wäre. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die zitierte Entscheidung sei nicht einschlägig, weil es sich dort um eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme gehandelt habe.

Im Klageverfahren wiederholt der Kläger seine Argumente aus dem Widerspruchsverfahren. Eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei seinerzeit nicht durchgeführt worden. Er habe lediglich physiotherapeutische Behandlungen auf Kosten der Krankenkasse erhalten.

Mit Urteil vom 20. Januar...

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