Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Behinderungsausgleich. Ablehnung eines Naturalleistungsanspruchs. Hilfsmittel. Versorgung mit Hörgerät. Kostenerstattungsanspruch auf selbstbeschaffte Leistung. Begrenzung auf Festbetrag
Orientierungssatz
1. Der Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegenüber der Krankenkasse nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB 5 setzt voraus, dass die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt, der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (Anschluss an BSG vom 16.12.2008 - B 1 KR 2/08 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 20).
2. Ein Anspruch auf Hörhilfen besteht nach § 33 Abs 1 S 1 SGB 5, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen für den von den Krankenkassen geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.
3. Die auf § 36 SGB 5 beruhende Festbetragsregelung stellt eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots dar, die zur Leistungsbegrenzung im Hinblick auf die Kostengünstigkeit der Versorgung führt. Eine solche Festbetragsregelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.
4. Eine Festbetragsregelung ist nur dann nicht rechtmäßig, wenn eine objektiv ausreichende Versorgung zum Festbetrag unmöglich ist. Weist der Versicherte keine Besonderheiten seines Hörvermögens auf, so besteht kein Anspruch über die Versorgung zum Festbetrag hinaus.
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 3 S. 1, § 33 Abs. 1 S. 1, §§ 36, 12 Abs. 1
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 19. September 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Kosten für zwei Hörgeräte vollständig zu übernehmen hat.
Der 1971 geborene Kläger leidet an einer beidseits vorliegenden Innenohrschwerhörigkeit, weswegen ihm durch den Facharzt für HNO-Heilkunde M. am 16. August 2007 Hörhilfen verordnet wurden. Der Kläger wandte sich an die Beklagte und bat diese mit dort am 11. September 2007 eingegangenem Schreiben um Bestätigung, dass “sie auch rückwirkend einen Teil der Kosten übernehmen, welche eventuell über die Zuzahlung der Krankenkassen hinausgehen (laut Hörakustiker bis zu 80 %)„. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 20. September 2007 mit, dass der Gesetzgeber für bestimmte Hilfsmittel Festbeträge eingeführt habe, eine Kostenübernahme über die Festbeträge hinaus sei nicht möglich. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben nicht.
Der Kläger ließ sich bei der Hörgeräte L. GmbH am 23. Oktober 2007 drei Hörgeräte anpassen, die jedoch alle nicht zum Festbetrag (421,28 €) erhältlich waren. Er entschied sich für beide Ohren für das Hörgerät “microeXtra 100 AZ„. Die Hörgeräte L. GmbH übersandte der Beklagten einen Kostenvoranschlag vom 22. November 2007, in welchem sie lediglich die Festbeträge geltend machte, insgesamt 808,88 €. Die Beklagte zahlte diesen Betrag aus. Die Hörgeräte L. GmbH machte mit Rechnung vom 24. Juni 2008 den verbliebenen Restbetrag in Höhe von 2.263,84 € unmittelbar gegenüber dem Kläger geltend. Dieser überwies den ausstehenden Betrag am 1. Juli 2008.
Mit undatiertem Schreiben, bei der Beklagten eingegangen am 3. Juli 2008, erhob der Kläger “Widerspruch gegen die Zahlung des Eigenanteils„. Der Kläger machte geltend, dass auf der Internetseite der Beklagten stehe, dass man einen Eigenanteil von 10 % der Kosten, mindestens 5,00 € und maximal 10,00 € bezahlen müsse. Diesen Eigenanteil habe er gezahlt, weswegen er um Rückerstattung des darüber hinausgehenden und an den Hörgeräteakustiker bereits gezahlten Betrages bitte. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 16. Juli 2008 mit, dass eine Erstattung nicht erfolgen könne. Eine weitergehende Kostenübernahme über die bereits gezahlten Festbeträge hinaus komme nicht in Betracht. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 12. September 2008 mit, dass er seinen Widerspruch nicht zurückziehe, die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2008 zurück.
Das Sozialgericht hat bei Prof. Dr. G.-L.ein HNO-ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 8. Juli 2011 angegeben, dass bei dem Kläger ein mittelgradiger Hörverlust auf beiden Seiten in Form einer mitteltonbetonten Schallempfindungsschwerhörigkeit vorliege. Eine Hörgeräteversorgung sei medizinisch indiziert. Zwar habe der Hörgeräteakustiker eine Anpassung von Hörgeräten zum Festbetrag nicht vorgenommen, es könne aber festgestellt werden, dass die Hörkurven erwarten lassen, dass auch mit einer Hörrehabilitation mit Hörhilfen zum Festbetrag eine ausreichende Besserung des Hörvermögens erreicht werden könne. Hierunter sei zu verstehen, dass das Einsilberverständnis bei 65 Dezibel um mindestens 20 % oder mehr verb...