Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittelverordnung. Vergütungsanspruch eines Apothekers. Verstoß gegen Wirtschaftlichkeitsgebot bei unbestimmten Mengenangaben
Orientierungssatz
Zur Frage des Verstoßes eines Apothekers gegen das in § 129 Abs 1 SGB 5 normierte Wirtschaftlichkeitsgebot bei unbestimmten Mengenangaben in der Verordnung des Arztes.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 12. März 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.196,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 v.H. über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt war, gegen Forderungen der Klägerin aus unstreitigen Arzneimittellieferungen mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.414,26 € und 782,49 € (insgesamt 2.196,75 €) aufzurechnen.
Die Klägerin ist Inhaberin der A.-Apotheke in G. und Mitglied des Th. A. Sie belieferte den bei der Beklagten Versicherten B. N. am 28. Januar und 16. März 2009 mit dem Fertigarzneimittel A...-g...® Infusionslösung, wobei sie jeweils 15 Packungen mit jeweils 5 Spritzen abgab und bei der Beklagten für die beiden Rezepte jeweils 2.057,48 € abrechnete. Dem zu Grunde lagen ärztliche Verordnungen des Dr. B. (G.-A.-Universität G.) vom 22. Januar 2009 über "A... g... Injektionslösung 5 * 5 ml 15 OP" und vom 10. März 2009 über "A... g... 10 mg/ml Injektionslösung 5 * 5 ml 15 OP". Die Beklagte zahlte zunächst die in Rechnung gestellten Beträge. Am 30. September 2009 lieferte die Klägerin erneut das Fertigarzneimittel A...-g...® Injektionslösung an den Versicherten, wobei sie 25 Packungen abgab. Dem zu Grunde lag eine vertragsärztliche Verordnung der Dr. A. (G.-A.-Universität G.) vom 18. September 2009 über "A...-g... 5 * 5 ml 25 * OP, nach 10 * 10 ml 6 * OP…". Die Klägerin berechnete der Beklagten hierfür 3.457,62 €, die diese zunächst zahlte. Mit Schreiben vom 26. November 2009 beanstandete die Beklagte bezüglich der Berechnungen aufgrund der Rezepte von 28. Januar und 16. März 2009 jeweils 707,13 € (insgesamt 1.414,26 €) wegen "Stückelung gemäß Liefer- bzw. Rahmenvertrag" und mit Schreiben vom 21. Mai 2010 die Berechnung aufgrund des Rezepts vom 18. September 2009 in Höhe von 822,51 € ebenfalls wegen der Stückelung. Die Einsprüche der Klägerin - bezüglich des letzten Rezepts in Höhe eines Betrages von 782,49 € - wies sie zurück. Die Beklagte verrechnete die Beträge im April 2012.
Am 15. März 2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben mit der Begründung, die Beklagte sei nicht berechtigt, die im Schreiben vom 26. November 2009 genannten Beträge zu verrechnen. Der Arzt habe 15 OP (Original-Packungen) verschrieben und die Ersetzung der Arzneimittel durch andere durch Ankreuzen des aut-idem-Kästchens ausgeschlossen. Nach § 17 Abs. 5 Satz 1 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) müssten die abgegebenen Arzneimittel den Verschreibungen und den damit verbundenen Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Arzneimittelversorgung entsprechen. Mit den genannten Rezepten habe der Arzt eindeutig 15 Packungen des Arzneimittels mit der PZN 3118883 mit fünf Ampullen verschrieben. Diese 15 Packungen hätten abgegeben werden müssen. § 6 Abs. 2 und Abs. 3 des derzeit geltenden Rahmenvertrages seien nicht einschlägig, da es sich hier nicht um Zweifelsfälle gehandelt habe; es sei auch keine Verordnung nach Stückzahlen erfolgt. Der daraus resultierende, richtig berechnete Kaufpreis sei beglichen worden. Bei der angekündigten Absetzung von 782,49 € unterstelle die Beklagte eine Abgabe von zwei Packungen des Fertigarzneimittels A...-g...® 10 mg/ml Injektionslösung 5 ml 10 * 5 Stück mit der PZN 4766733. Statt der insgesamt verordneten 125 Ampullen würden also nur 100 Ampullen zugestanden. Die therapiegerechte Packungsgröße werde immer noch durch den Arzt bestimmt, was durch § 6 Abs. 1 Satz 2 des seit dem 1. April 2008 geltenden Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V (im Folgenden: Rahmenvertrag) bestätigt werde.
Die Beklagte hat auf § 129 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 6 Abs. 3 des Rahmenvertrages hingewiesen. Demgemäß hätte in dem vorliegenden Verordnungsfall lediglich eine Abgabe von 50 Stück bzw. zweimal 10 Stück A...-g...® Injektionslösung erfolgen dürfen. Die Abgabe von Arzneimitteln müsse den ärztlichen Verschreibungen sowie den damit verbundenen Vorschriften des SGB V entsprechen. Demnach sei neben den Vorschriften des Rahmenvertrages nach § 129 Abs. 2 SGB V ebenso das gesetzlich normierte Wirtschaftlichkeitsgebot (vgl. §§ 12, 70 SGB V) maßgebend und von der Beklagten insofern richtig angewandt worden. In Bezug auf das Wirtschaftlichkeitsgebot finde insbesondere 2.1 Abs. 1 des Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrages Th. (im Folgenden: ALV) Anwendung. Schließlich habe die Klägerin mit ihrem...