Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. aufrechterhaltende Mitgliedschaft aufgrund Rehabilitationsmaßnahme. Arbeitsfähigkeit laut Entlassbericht. unterbliebene bzw nicht rechtzeitige (erneute) ärztliche AU-Feststellung. kein weiterer Krankengeldanspruch aufgrund Auffangversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 - wenn keine stationäre Behandlung bzw Rehabilitationsmaßnahmen erfolgen - nur aufgrund ärztlicher Feststellung (vgl BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R = BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1). Für den Umfang des zu beurteilenden Versicherungsschutzes ist demgemäß auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt.

2. Es reicht allerdings aus, dass Versicherte am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krankengeld - hier des Versicherungsverhältnisses aufgrund der durch die durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme aufrecht erhaltenen Mitgliedschaft - alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung des Ablaufs dieses Tages - und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages einen Krankengeldanspruch entstehen zu lassen (vgl BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R und BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 19/11 R = BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5).

3. Folgen einer unterblieben oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind grundsätzlich vom Versicherten zu tragen. Die Ausschlussregelung des § 46 S 1 Nr 2 ist strikt zu handhaben. Ausnahmen hiervon können nur in engen Grenzen anerkannt werden (vgl BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 30/04 R aaO).

4. Der Status nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 ist gegenüber der Auffangregelung des § 19 Abs 2 SGB 5 vorrangig und schließt in Bezug auf das Krankengeld weitere Ansprüche aus (vgl BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 19/11 R aaO).

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 26. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Zahlung von Verfahrenskosten in Höhe von 700,00 € an die Staatskasse wird aufgehoben.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Krankengeld ab dem 5. September 2012 streitig.

Die 1983 geborene Klägerin war bei der Beklagten als Bezieherin von Arbeitslosengeld pflichtversichert. Seit dem 19. Oktober 2011 war sie wegen der Diagnosen F32.1 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode) und F40.1 (Soziale Phobie) arbeitsunfähig erkrankt und bezog Krankengeld. Am 23. Juli 2012 stellte die Fachärztin für Innere Medizin F. (im Folgenden: Internistin) einen Auszahlschein für den (weiteren) Bezug von Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit ab dem 23. Juli 2012 “bis auf weiteres" aus; nächster Vorstellungstermin sei der 31. August 2012. Vom 24. Juli bis 4. September 2012 (einem Dienstag) nahm die Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der B. M. AG wahr. Laut Rehabilitationsentlassungsbericht vom 14. September 2012 wurde sie für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Zahnarzthelferin arbeitsfähig entlassen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe vollschichtige Leistungsfähigkeit für mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel. In der sozialmedizinischen Epikrise ist u.a. vermerkt: “Frau G. war mit der sozialmedizinischen Einschätzung einverstanden„.

Am 6. September 2012 begehrte die Klägerin telefonisch von der Beklagten die Weiterzahlung des Krankengeldes. Sie gab an, an diesem Tag die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie (im Folgenden: Fachärztin) O. aufgesucht zu haben, die sie weiterhin für arbeitsunfähig beurteile. Die Beklagte teilte ihr mit, für sie sei maßgebend, dass sie arbeitsfähig aus der Rehabilitationsmaßnahme entlassen worden sei. Sie hätte sich am 5. September 2012 bei der Bundesagentur für Arbeit melden müssen und könne sich gegebenenfalls eine neue Erstbescheinigung ausstellen lassen. Am 14. September 2012 wandte sich die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten erneut an die Beklagte und begehrte die Auszahlung von Krankengeld, weil sie weiterhin arbeitsunfähig erkrankt sei. Diese teilte ihr unter dem 18. September 2012 mit, ihr liege keine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) vor. Eine Gewährung von Krankengeld über den 4. September 2012 hinaus könne nicht erfolgen, weil sie nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert sei. Für eine mitgliedschaftserhaltende Wirkung des Krankengeldes müsse die Arbeitsunfähigkeit lückenlos nachgewiesen werden. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass die Praxis der Fachärztin O. am 4. September 2012 geschlossen gewesen sei. Sie habe deshalb am 5. September 2012 dort angerufen, aber erst am 6. September 2012 einen Termin erhalten. Sie reichte unter dem 6. November 2012 eine ärztliche Bescheinigung der Fachärztin O. vom 1. November 2012 ein, wonach nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme keine ausreichende psychische Be...

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