Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. verwaltungsrechtliche Rehabilitierung. rechtsstaatswidrige Verwaltungsmaßnahme. Grad der Schädigungsfolgen. besondere berufliche Betroffenheit. Höherbewertung. fehlender ursächlicher Zusammenhang
Orientierungssatz
Eine Höherbewertung des Grads der Schädigungsfolgen (GdS) wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 3 Abs 1 S 1 VwRehaG iVm § 30 Abs 2 BVG kommt nicht in Betracht, wenn die geltend gemachte Schädigungsfolge (hier: posttraumatische Belastungsstörung) bereits vor der rechtsstaatswidrigen Verwaltungsmaßnahme vorgelegen hat und ohne die Maßnahme auch nicht entfallen wäre.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 11. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt höhere Beschädigtenversorgung aufgrund besonderer beruflicher Betroffenheit.
Gegen die am … geborene Klägerin war durch Verfügung des Referats Jugendhilfe der Stadt E. Heimerziehung angeordnet worden. Sie wurde am 28. Februar 1950 in ein städtisches Mütter- und Säuglingsheim eingewiesen, in dem sie sich bis zum 31. Mai 1953 befand. Die Verfügung wurde Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 08. August 2011, Az.: 1 Ws Reha 52/11, aufgehoben, es wurde festgestellt, dass die Klägerin für die Dauer der Heimunterbringung zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.
Der Vater der Klägerin, H. M., wurde durch Urteil des Bezirksgerichts E. vom 18. Oktober 1961, Az.: 1b BS 228/61, wegen Spionage zu einer Zuchthausstrafe von 15 Jahren verurteilt. Auf seine Berufung änderte das Oberste Gericht der DDR mit Urteil vom 30. Januar 1962, Az. 1b Ust 278/61, das Urteil des Bezirksgerichts E. im Strafausspruch ab und verurteilte den Vater der Klägerin wegen Spionage, staatsgefährdender Propaganda und Hetze sowie wegen Verleitens zum Verlassen der DDR zu einer Zuchthausstrafe von 12 Jahren. Mit Beschluss des Bezirksgerichts E. vom 09. Dezember 1965 wurde die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Betroffene wurde am 17. Dezember 1965 in die Bundesrepublik entlassen, wo er im Jahre 1974 verstarb. Die Reststrafe wurde durch Beschluss des Bezirksgerichts E. vom 23. Juni 1970 endgültig erlassen. Durch Beschluss des Bezirksgerichts E. vom 26. November 1991, Az.: I Reha 780/90, wurde der Betroffene auf Antrag der Klägerin rehabilitiert.
Im Zusammenhang mit der Inhaftierung ihres Vaters war die Klägerin ihren Angaben zufolge ständigen Überwachungen und Bespitzelungen und sonstigen Benachteiligungen ausgesetzt. Ihren Vater hat sie seit der Verhaftung nicht mehr gesehen. Sie musste die POS nach der 8. Klasse verlassen und konnte keine weiterführende Bildungseinrichtung besuchen.
Seit 1990 führte und führt die Klägerin eine Vielzahl gerichtlicher Verfahren um ihre Restitutionsberechtigung an dem Grundstück “…„ in E., in dem sie gemeinsam mit ihrem Bruder M. bis zur Zwangsräumung im Oktober 2003 eine Wohnung bewohnte. Unter anderem machte und macht sie die Fälschung des Grundbuchs geltend. Bereits am 26. März 2002 hatte die Klägerin beim Beklagten Beschädigtenversorgung nach dem OEG wegen ununterbrochener Fortsetzung rechtsstaatswidriger Maßnahmen ab 1990 durch unlautere Machenschaften und Seilschaften, gezielten Behördenterror und rechtswidriges Verwaltungshandeln im Hinblick auf das Grundstück … in E. beantragt. Der Antrag wurde durch Bescheid vom 15. Mai 2002 abgelehnt. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Die gegen die Bescheide erhobenen Klagen hat das Sozialgericht durch Urteil vom 02. August 2006, Az: S 4 VG 1005/03 u. 4 VG 1004/03, abgewiesen und auch Ansprüche wegen der zwischenzeitlich erfolgten Zwangsräumung verneint. Ihre Berufung wurde durch Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 07. Juli 2011, Az.: L 5 VG 1091/06, zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 06. Januar 2012, Az.: B 9 V 49/11 B, zurückgewiesen.
Am 17. Juli 2000 beantragte die Klägerin beim seinerzeit zuständigen Versorgungsamt Beschädigtenversorgung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Juni 1994, BGBl. I 1994, S. 1311 (2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 01. Juli 1997, BGBl. I 1997, S. 1620, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 2. Dezember 2010, BGBl. I 2010, S. 1744 - VwRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Sie legte eine Rehabilitierungsbescheinigung des Landesamtes für Rehabilitierung und Wiedergutmachung vom 19. Juni 2000 vor, mit der ihre Nichtzulassung zu einer zur Hochschulreife führenden Bildungseinrichtung durch den Leiter der G.-Schule E. sowie der 1964 auf sie ausgeübte Zwang, nach Abschluss der 8. Klasse die POS zu verlassen, für rechtsstaatswidrig er...