Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie (juris: AURL) grenzt nicht das Entstehen vom Ruhen des Anspruchs ab. Anspruch eines gegen Arbeitsentgelt von der Arbeitsleistung freigestellten Arbeitnehmers. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Fortbestehen der Mitgliedschaft. Krankengeldanspruch ist nicht von Zahlung des allgemeinen Beitragssatzes abhängig. Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung

 

Orientierungssatz

1. Die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie (juris: AURL) dient nicht dem Zweck, die Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld vom Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld abzugrenzen.

2. Ein in einem bestehenden Arbeitsverhältnis gegen Arbeitsentgelt von der Arbeitsleistung freigestellter Arbeitnehmer hat grundsätzlich Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs 1 SGB 5. Der Anspruch auf Krankengeld ruht in diesem Fall jedoch nach § 49 Abs 1 Nr 1 SGB 5.

3. Durch die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses eines gegen Arbeitsentgelt von der Arbeitsleistung freigestellten Arbeitnehmers während bestehender Arbeitsunfähigkeit lebt der Anspruch auf Krankengeld nach Wegfall des Ruhensgrundes wieder auf und die Pflichtmitgliedschaft bleibt nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB 5 erhalten.

4. Der Anspruch auf Zahlung von Krankengeld ist unabhängig davon, ob der Arbeitgeber während der Freistellung den allgemeinen Beitragssatz nach § 241 SGB 5 gezahlt hat.

 

Normenkette

SGB V § 44 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 49 Abs. 1 Nrn. 1, 6, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 7, § 192 Abs. 1 Nr. 2; SGG § 192 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 25. November 2011 wird zurückgewiesen

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Auferlegung von Verschuldenskosten gegen die Beklagte wird aufgehoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt (noch) die Aufhebung des Bescheides vom 7. Mai 2010, mit dem die Beklagte die Zahlung von Krankengeld ab dem 1. Mai 2010 ablehnte.

Die 1955 geborene Klägerin war vom 1. Januar 2002 bis 30. April 2009 bei der Beklagten pflichtversichert; vom 1. Mai 2009 bis 19. November 2010 bestand ein freiwilliges Krankenversicherungsverhältnis. Seit dem 20. November 2010 ist sie bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Arbeitslosen pflichtversichert.

Sie war bei der … gGmbH versicherungspflichtig beschäftigt und bezog vom 14. August 2008 bis 11. Januar 2009 Krankengeld von der Beklagten. Am 29. Dezember 2008 kündigte die … gGmbH das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2009 und stellte die Klägerin ab 1. Januar 2009 unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei. Im Kündigungsschutzverfahren beim Arbeitsgericht Gera (Az.: 4 Ca 91/09) schlossen die Beteiligten am 25. Juni 2009 einen Vergleich, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung zum 30. April 2010 beendet wurde. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wurde die Klägerin unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung von ihrer Arbeitsleistung freigestellt. Die Arbeitgeberin entrichtete für sie seit dem 1. Januar 2009 den ermäßigten Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 243 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V).

Ab dem  8. Februar 2010 bescheinigte Dipl.-Med. V. der Klägerin Arbeitsunfähigkeit.  Im April 2010 wandte sich diese an die Beklagte und beanstandete die  Zahlung des ermäßigten Beitragssatzes durch die Arbeitgeberin. Die Beklagte teilte ihr mit Bescheid vom 15. April 2010 u.a. mit, die Beiträge aus dem Arbeitsentgelt zur Krankenversicherung seien für die Zeit der Freistellung nach dem ermäßigten Beitragssatz zu erheben, weil ein Anspruch auf Krankengeld faktisch nicht realisiert werden könne. Eine Zustimmung der Versicherten sei hierzu nicht erforderlich, weil es sich um ein Verwaltungshandeln aufgrund gesetzlicher Vorschriften handele. Der Anspruch auf Krankengeld ruhe in Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 6 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 7 b Abs. 1a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) soweit und solange für Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung keine Arbeitsleistung geschuldet werde.

Den Antrag auf Zahlung von Krankengeld ab 1. Mai 2010 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Mai 2010 ab.

Am 17. August 2010 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Ablehnung der Zahlung von Krankengeld ab dem 1. Mai 2010. Mit Bescheid vom 15. September 2010 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheids vom 15. April 2010 ab. Erst aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (≪BSG≫, Urteile vom 24. September 2008 - Az.: B 12 KR 22/07 R, B 12 KR 27/07 R) ende die Versicherungspflicht Beschäftigter bei Freistellung mit dem Ende des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses. Hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Beitragssatzes ab 1. Januar 2009 verbleibe es bei der Entscheidung vom 15. April 2010. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2010 wies sie den Widerspruch zurück und führte ergänzend aus, nach § 3 der Richtlinien über die Beurteilung de...

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