Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. keine Kostenerstattung für laserinduzierte Thermotherapie -grundrechtsorientierte Auslegung nach dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005
Leitsatz (amtlich)
1. Die ambulant durchgeführte laserinduzierte Thermotherapie (LITT) ist eine neue Behandlungsmethode nach § 92 Abs 2 SGB 5 iVm § 135 SGB 5. Sie ist nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen.
2. Ein Kostenerstattungsanspruch im Jahr 2003 ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der mit Beschluss des BVerfG entwickelten Grundsätze vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 = BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, weil als Standardtherapie eine Teilresektion des betroffenen Leberlappens zu Verfügung stand.
Orientierungssatz
Aktenzeichen beim BSG: B 1 KR 100/10 B.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 8. Juni 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten für die ambulant durchgeführte laserinduzierte Thermotherapie (im Folgenden: LITT) zuzüglich Hotel- und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 12.557,62 € zu erstatten hat.
Bei der LITT handelt es sich um ein Verfahren zur Zerstörung von Tumoren beziehungsweise Metastasen, vor allem der Leber. Dabei wird mittels eines minimal-invasiven Eingriffs eine Glasfaser direkt in den Tumor beziehungsweise die Metastasen eingeführt. Durch Laserlicht und die dadurch entstehende Wärme soll der Tumor/die Metastase zerstört werden.
Bei der 1945 geborenen und bei der Beklagten versicherten Klägerin wurde im Jahr 1998 im Rahmen einer stationären Behandlung eines Uterus myomastus, eine Teilresektion des Dünndarms vorgenommen und nach histologischer Aufarbeitung des Präparats ein Leiomyosakrom diagnostiziert und im Rahmen einer Nachkontrolle auf Grund einer Computertomografie im Januar 2002 eine metastasensuspekte Raumforderung im Lebersegment VII beschrieben. Im Februar 2002 erfolgte in der W.-Klinikum G. gGmbH die Bisegmentresektion der Leber (Segmente VI und VII). Nach histologischer Untersuchung fand sich identisches Tumormaterial; es wurde von einer Metastasierung ausgegangen. Im September 2003 zeigte sich computertomografisch ein metastasenverdächtiger Herdbefund im Segment VII. Daraufhin wurde die Klägerin am 22. September 2003 erneut in der Wald-Klinikum Gera gGmbH zur geplanten Leberresektion aufgenommen, am 26. September 2003 beurlaubt, weil die Operation aus organisatorischen Gründen am 25. beziehungsweise 26. September 2003 nicht stattfinden konnte. Den danach geplanten Operationstermin sagte die Klägerin am 27. September 2003 ab.
Am 30. September 2003 beantragte sie bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine LITT im Zentrum der Radiologie an der Johann W. G.-Universität F. . (im Folgenden: Universitätsklinikum). Der ambulante Eingriff erfolge dort am 23. Oktober 2003. Am 30. September 2003 erklärte sie sich gegenüber dem Universitätsklinikum zur Zahlung des Differenzbetrages für den Fall bereit, dass ihre Krankenversicherung die Behandlungskosten nur teilweise (Zuschuss) erstatte. Sie reichte einen Kostenvoranschlag über 8.633,59 € sowie einen Bericht des Prof. Dr. V. und des Dr. Leber vom 30. September 2003 ein, wonach eine LITT von Lebermetastasen indiziert sei. Sie könne nur durchgeführt werden, wenn von den Versicherten eine Kostenübernahmeerklärung einer gesetzlichen Krankenkassen vorgelegt werde oder der Patient die Behandlung privat durchführen lasse, weil um keine der allgemeinen vertragsärztlichen Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuzurechnende Behandlungsmethode handle. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2003 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Im Widerspruchsverfahren beantragte die Klägerin die Übernahme der angefallenen Fahrtkosten und sonstiger Nebenkosten in Höhe von weiteren 630,20 €. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, bei der LITT handele es sich um ein Verfahren, das noch nicht zum Leistungskatalog der GKV gehöre. Nach § 135 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) dürften neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung seien und für die entsprechende Abrechnungspositionen nach dem Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (BMÄ) fehlten, in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der GKV grundsätzlich nur dann abgerechnet werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (seit dem 1. Januar 2004: Gemeinsamer Bundesausschuss, im Folgenden: Bundesausschuss) in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlungen abgegeben hätte. Solche lägen nicht vor.
Im Klageverfahren hat die Klägerin ausgeführt, die Lebermetastasen wären nicht operabel gewesen. Eine andere Behandlungsmethode habe nicht zur Verfügung gestanden, übe...