Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Verweisbarkeit. Fachverkäuferin. Gleichstellung. Kauffrau im Einzelhandel
Leitsatz (amtlich)
An die Gleichstellung einer Fachverkäuferin Heimwerker- und Siedlerbedarf (mit zweijähriger Ausbildung) mit dem Ausbildungsberuf Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel nach Art 37 Abs 1 des Einigungsvertrages durch die zuständige Industrie- und Handelskammer ist ein Sozialgericht auch bei Zweifeln an der inhaltlichen Richtigkeit gebunden. Dadurch wird die Klägerin so gestellt, als ob sie eine dreijährige Ausbildung durchlaufen hätte.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Die 1955 geborene Klägerin absolvierte nach dem Abschluss der 10. Klasse von 1972 bis 1974 eine Ausbildung zur Fachverkäuferin Heimwerker- und Siedlerbedarf und von 1974 bis 1976 als Verkäuferin für Schuhe. Von 1979 bis 1990 arbeitete sie als Sachbearbeiter Produktionsplanung und Materialwirtschaft, von 1990 bis 1999 als Verkäuferin "Non Food"-Artikel, von 1999 bis 2001 als Verkäuferin für Uhren und Schmuck, von 2001 bis Oktober 2002 als Pflegehelferin und nach dem Arbeitsvertrag vom 25. Februar 2004 zuletzt ab 1. März 2004 zwanzig Stunden die Woche als Verkäuferin Foto-Optik zu einem Bruttogehalt von 7,00 €/Stunde. Das Arbeitsverhältnis kündigte sie aus gesundheitlichen Gründen und auf Anraten ihres Arztes mit Schreiben vom 15. Februar 2005. Nach der im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren eingeholten Arbeitgeberauskunft vom 23. Juni 2006 wurde sie von dem nicht tarifgebundenen Betrieb als angelernte Kraft entlohnt und hatte alle Arbeiten einer Fachverkäuferin wie Verräumen und Auszeichnen der Ware, Warenübernahme, Verkauf und Beratung auszuüben.
Im März 2005 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr. G. vom 23. Mai 2005 (chronisch rezidivierendes Zervikalsyndrom, geringgradige Spondylarthrose C5/6, chronisch rezidivierendes Thorakalsyndrom, beginnende Retropatellararthrose, Meniskusläsion links mehr als rechts, Verdacht auf larvierte Depression; leichte bis mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr sind möglich) und eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens der Dipl.-Med. B. vom 14. Juli 2005 (Anpassungsstörung bei familiären Konflikten, Migräne, Rückenschmerzen; mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr sind möglich) mit Bescheid vom 17. August 2005 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2006 zurück.
Auf die Klageerhebung hat das Sozialgericht Meiningen Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und ein orthopädisches Gutachten von Dr. M. vom 6. Februar 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 16. Juli 2007 eingeholt. Der Sachverständige hat in seinen Gutachten folgende Diagnosen gestellt: anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei Depression sowie Anpassungsstörung, Angabe belastungsabhängiger Beschwerden im Bereich beider Hände mit vorgeführter reduzierter Kraft, chronisch rezidivierendes unteres HWS-Syndrom ohne Anhalt für das Vorliegen einer akuten Wurzelreiz- oder Kompressionssymptomatik, chronisch rezidivierendes BWS-Syndrom bei nahezu unbeeinträchtigter Wirbelsäulenfunktion, chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom ohne Anhalt für das Vorliegen einer akuten Wurzelreiz- oder Kompressionssymptomatik, Angabe einer Beschwerdesymptomatik im Sinne eines femoropatellaren Schmerzsyndroms, Angabe einer Beschwerdesymptomatik im Bereich beider Vorfüße im Sinne einer Metatarsalgie und nativradiologischem Hinweiszeichen für das Vorliegen einer geringgradigen Großzehengrundgelenksarthrose, Kopfschmerz vom Migränetyp. Die Klägerin könne noch leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig in wechselnder Körperhaltung ohne Absturzgefahr nicht auf Leitern und Gerüsten ohne Schicht- und Akkordarbeit möglichst in geschlossenen warmen Räumen ohne Gefährdung durch Kälte, Nässe, Zugluft und ohne besonderen Zeitdruck ausüben.
Mit Urteil vom 24. September 2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegen die Entscheidung hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, sie sei mit dem fachorthopädisch-schmerztherapeutischen Gutachten des Dr. M. nicht einverstanden. Ihre behandelnde Neurologin und Psychiaterin M. habe eine abweichende Leistungsbeurteilung vorgenommen. Sie genieße Berufsschutz und sei einer Kauffrau im Einzelhandel gleichzustellen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 24. September 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2006 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 1. April 2005 zu gewähren, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den Akteninhalt und das bisherige Vorbrin...