Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweisbarkeit einer Verkäuferin bei geltendgemachter Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit

 

Orientierungssatz

1. Berufsunfähigkeit als Voraussetzung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB 6 liegt nicht schon dann vor, wenn der Versicherte seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann, wenn eine Verweisung auf eine zumutbare andere Tätigkeit nicht mehr möglich ist.

2. Eine Verkäuferin, die diesen Beruf nicht erlernt hat, aber als solche gearbeitet hat und in der Lohngruppe K 2 entlohnt wurde, ist nach dem Mehrstufenschema des BSG auf die Tätigkeit einer Poststellenmitarbeiterin verweisbar.

3. Dabei handelt es sich um einfache, wiederkehrende, kaufmännisch verwaltende körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, die überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum zeitweisen Gehen und Stehen ausgeführt werden. Ist die Versicherte diesen Anforderungen gewachsen, so ist ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ausgeschlossen.

 

Normenkette

SGB VI § 240 Abs. 1, § 2 S. 1, § 43 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2; BBiG § 25

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Die 1955 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1971 bis 1. Juni 1973 eine Ausbildung zum Kellner, die sie mit dem Facharbeiterzeugnis abschloss. Danach war sie bis November 1976 als Serviererin und Heimarbeiterin tätig. Von Januar bis November 1977 arbeitete sie als Verkäuferin in der …-Industriewaren, danach bis Juli 1982 als Lehrausbilderin beim … und seit August 1982 erneut als Verkäuferin. Ab 1991 arbeitete sie bei der R. Ost GmbH als Verkäuferin. Laut Arbeitsvertrag vom 17. Dezember 1991 erfolgte eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe K 2 des damaligen Tarifvertrages. Seit dem 27. Juli 2010 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt und bezog seit dem 9. September 2010 Krankengeld. Zum 31. März 2013 beendete die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin.

Im August 2010 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte ein orthopädisch/unfallchirurgisches Gutachten des Dr. Sp. vom 27. September 2010 ein (Diagnosen: Osteoporose, induziert durch Östrogenmangel, postthrombotisches Syndrom rechts, ausgeprägte Stamm- und Seitenastvarikosis beidseits, Metatarsalgie bei rezidivierenden pathologischen Mittelfußfrakturen beidseits, zurzeit links akute Beschwerden, Bauchdeckeninsuffizienz mit kleiner Nabelhernie nach mehrfachen gynäkologischen Operationen, Spondylosis deformans mit Bandscheibenerniedrigung L5/S1 ohne aktuelle Pseudoradikulärsymptomatik; Leistungsbild: Tätigkeit als Verkäuferin drei bis unter sechs Stunden, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden). Mit Bescheid vom 15. November 2010 lehnte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab. Die Klägerin sei in der Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Kassiererin Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte u.a. das Gutachten des M. D. der Krankenversicherung Thüringen e.V. vom 11. Januar 2011, verschiedene Befundberichte und den Rehabilitationsentlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung B. S.-A. … I BO vom 5. Juli 2011 (Diagnosen: idiopathische Osteoporose mit pathologischer Fraktur, Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom bei degenerativen Veränderungen, Rhizarthrose beidseits, Verdacht auf Polyarthrose der Hände; Leistungsbild: Tätigkeit als Verkäuferin unter drei Stunden, leichte Tätigkeiten unter Beachtung von Einschränkungen sechs Stunden und mehr) bei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. August 2011).

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen und ein orthopädisches Gutachten der Dr. W. vom 1. Juni 2012 eingeholt. Danach besteht bei der Klägerin ein chronisches lumbales, vertebragenes Schmerzsyndrom bei leichter Skoliose und präsakraler Osteochondrose ohne Funktionseinschränkung der LWS und ohne Radikulärsymptomatik sowie eine seit 1999 bekannte und behandelte Knochenstoffwechselstörung mit wiederholten Metatarsalfrakturen bis 2009, die derzeit als Osteopenie einzuschätzen sei. Die Klägerin könne weiterhin leichte Arbeiten unter Beachtung von Einschränkungen ausüben.

Mit Urteil vom 23. Oktober 2012 hat das SG die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren trägt die Klägerin vor, sie habe Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, weil sie nur noch weniger als drei, zumindest nur noch weniger als sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit na...

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