Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. hinreichende Wahrscheinlichkeit. Komplettruptur der Supraspinatussehne. ernsthafte Zweifel: gleichzeitige Beteiligung aller wesentlichen Muskeln der Rotatorenmanschette. Multizentrizität. Voraussetzungen für eine traumatische Rotatorenmanschettenruptur
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf ein Unfallereignis zurückgeführt werden kann.
2. Ernsthafte Zweifel an einer unfallbedingten Verursachung der Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne können durch die Beteiligung gleichzeitig aller wesentlichen Muskeln der Rotatorenmanschette im Sinne einer Multizentrizität begründet werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 5. September 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob als weitere Folge eines als Arbeitsunfall anerkannten Unfallereignisses vom 17. März 2017 eine Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne im Schultergelenk rechts anzuerkennen ist.
Am 17. März 2017 rutschte der 1966 geborene Kläger auf der Holztreppe im Bürogebäude eines Jugendwaldheims ab und versuchte sich mit dem rechten Arm am Geländer abzufangen. Anschließend verspürte er Schmerzen im Bereich der rechten Schulter. Aufgrund anhaltender Schmerzen suchte der Kläger am 24. März 2017 einen Durchgangsarzt auf. Dieser diagnostizierte eine Distorsion der rechten Schulter und veranlasste die Durchführung eines MRT. Der MRT-Befund vom 28. März 2017 erbrachte den Nachweis eines kleinen Einrisses der Supraspinatussehne, diskrete Zeichen eines Impingementsyndroms und den Nachweis einer ACG-Arthrose mit geringer Pelottierung des Musculus supraspinatus. Vom 18. bis 21. April 2017 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im Krankenhaus Sondershausen. Eine Arthroskopie der rechten Schulter erfolgte. Laut Operationsbericht vom 18. April 2017 war eine Rekonstruktion der rupturierten Rotatorenmanschette noch möglich. Ausweislich des pathologischen Befundes vom 19. April 2017 ergaben sich Anteile der Supraspinatussehne mit Läsionen unterschiedlichen Alters, überwiegend mit älteren Veränderungen mit Vernarbung und kleinherdig frischer Nekrose. Der Beratungsarzt der Beklagten M verneinte in einer Stellungnahme vom 29. Juni 2017 einen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Schädigung im Bereich der Rotatorenmanschette. Es sprächen erhebliche Gesichtspunkte gegen eine Traumagenese. Die Schadensanlagen seien überragend.
Durch Bescheid vom 24. Juli 2017 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 17. März 2017 als Arbeitsunfall mit der Folge einer Zerrung des rechten Schultergelenks und unfallbedingter Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis 21. April 2017 an. Ausdrücklich nicht als Folge des Unfallereignisses anerkannt wurde ein Riss der Rotatorenmanschette im rechten Schultergelenk. Aufgrund der gesichert vorliegenden erheblichen Schadensanlagen, insbesondere einer Einengung des Subacromialraumes und der Arthrose des Schultereckgelenkes, sei eine unfallbedingte Schädigung der Rotatorenmanschette zu verneinen. Ein hiergegen durch den Kläger am 1. August 2017 eingelegter Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2017 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Orthopäden und Unfallchirurgen M1 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser legt in seinem Gutachten vom 22. Mai 2018 dar, dass die Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne am rechten Schultergelenk auf das Unfallereignis vom 17. März 2017 zurückzuführen sei. Der Sturz und das Festhalten mit der Hand stellten einen klassischen Hergang zur Belastung der Rotatorenmanschette dar. Die eingetretene Verzögerung im Hinblick auf die Erstvorstellung beim Durchgangsarzt sei plausibel zu erklären. Der MRT-Befund vom 28. März 2017 zeige eine frische Signalanhebung im Bereich einer Zusammenhangstrennung der Supraspinatussehne. Eine vorbestehende Texturstörung der Sehne oder eine Atrophie der Muskulatur seien nicht festzustellen. Der pathologische Befund belege sowohl frische als auch ältere Texturstörungen. In Würdigung sämtlicher Faktoren sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einem Zusammenhang auszugehen. Dieser Einschätzung ist der Beratungsarzt der Beklagten M in einer Stellungnahme vom 16. Juli 2018 entgegengetreten. Es existierten erhebliche, gegen eine Traumagenese sprechende Faktoren, wie erste ärztliche Konsultation erst nach sechs Tagen, fehlende Pseudolähmung des rechten Armes und ein Impingementsyndrom des rechten Schultergelenks in Verbindung mit einer Arthrose desselben. Notwendig sei eine Auswertung des MRT-Befundes vom 28. März 2017 durch einen Radiologen. Daraufhin legte die Beklagt...