Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung für kieferorthopädische Behandlung. Kausalzusammenhang zwischen der ablehnenden Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung. Unbeachtlichkeit einer noch nicht abgeschlossenen Behandlung. keine erweiternde Auslegung der Regelungen zum Leistungsausschluss. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Grundsätzlich wird bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse im allgemeinen als Zäsur gesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden; für spätere Leistungen wird der erforderliche Kausalzusammenhang dagegen bejaht (vgl BSG vom 25.9.2000 - B 1 KR 5/99 R = SozR 3-2500 § 13 Nr 22). Das kann indes nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. War mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (vgl BSG vom 19.6.2001 - B 1 KR 23/00 R = SozR 3-2500 § 28 Nr 6).
2. Die Aufzählung in § 28 Abs 2 S 7 SGB 5 iV mit Abschn B Nr 4 der KFO-Richtlinien (juris: KORL) ist abschließend. Eine erweiternde Auslegung entspricht nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers (vgl BSG vom 9.12.1997 - 1 RK 11/97 = BSGE 81, 245 = SozR 3-2500 § 28 Nr 3, vom 20.6.2005 - B 1 KR 20/04 B und vom 19.7.2004 - B 1 KR 2/04 BH).
3. Der umfassende Leistungsausschluss ist nach der Rechtsprechung des BSG auch verfassungsgemäß (vgl BSG vom 9.12.1997 - 1 RK 11/97 = aaO).
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 3 S. 1, § 27 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 2, § 28 Abs. 2 Sätze 1, 6-7, § 29 Abs. 1, 4 Sätze 1-2, § 34 Abs. 1, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 135 Abs. 1 S. 1; SGB XI § 15 Abs. 1; KORL Abschn. B Nr. 4; KORL Abschn. B Anl. 3; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 3. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten für die Behandlung einer Craniomandibulären Dysfunktion (CMD) zu erstatten hat.
Die 1987 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2010 beantragte sie die Übernahme der Kosten für eine durch den Fachzahnarzt für Kieferorthopädie Dr. R. in M. seit dem 21. Oktober 2010 durchgeführte CMD-Therapie. Ausweislich des beigefügten Heil- und Kostenplanes vom 1. Dezember 2010 beliefen sich die Kosten auf insgesamt 4.091,09 €. Die Klägerin legte neben dem Behandlungsplan auch Unterlagen mit Informationen zur CMD, zur Anamnese, zur bisherigen sowie der geplanten Therapie und eine zwischen ihr und Dr. R. geschlossene Vereinbarung einer Privatbehandlung durch CMD-Kieferorthopädie vor. Diese Vereinbarung enthielt auch einen Hinweis auf den Leistungsausschluss der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für kieferorthopädische Behandlungen nach dem 18. Lebensjahr und Ausführungen dazu, dass die dem zugrunde liegende kieferorthopädische Diagnostik nicht mehr wissenschaftlichen Standards entsprechen würde. Als Diagnose gab Dr. R. im Heil- und Kostenplan an: "Kopfschmerzen, Migräne, Kiefergelenkschmerzen, Nackenschmerzen, Muskelverspannungen, Muskelkrämpfe, traumatische Parodontalentzündungen, Ausgerenkte Kiefergelenke, okklusaler Zwangsbiss, fehlende Okklusion, Bandscheibenvorfälle im Nackenbereich, Sensomotorische Amnesie". Die voraussichtliche Behandlungsdauer schätzte er auf sechs Quartale.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine Kostenübernahme für kieferorthopädische Behandlungen nach dem 18. Lebensjahr könne nur in Verbindung mit kombiniert kieferchirurgischen Behandlungsmaßnahmen erfolgen. Das vorliegende Krankheitsbild erfülle diese Voraussetzungen nicht.
Mit einem von Dr. R. unter seinem Briefbogen erstellten und von ihm und der Klägerin unterzeichneten Schreiben, eingegangen am 14. Februar 2011, erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, dass alle im Behandlungsplan dargestellten Krankheitsbilder der Leistungspflicht der GKV unterlägen. Die vorliegende Behandlung sei keine kieferorthopädische Leistung, sondern eine orthopädische Leistung zur Therapie diverser Erkrankungen im Kopf- und Schulterbereich. Diese Krankheitsbilder könne die GKV weder mit ihren medizinischen noch ihren kieferorthopädischen Leistungen ursächlich und erfolgreich therapieren. Die Abrechnungspositionen im Behandlungsplan seien vielfach Analogpositionen zu den von der Beklagten angebotenen Leistungen. Daraus sei aber nicht abzuleiten, dass es sich um eine rein kieferorthopädische Behandlung handele. Die zugr...