Verfahrensgang
SG Gotha (Urteil vom 15.09.1994; Aktenzeichen S-12/V-387/94) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Sozialgerichts Gotha vom15. September 1994 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt nach einer nichtig erklärten zweiten Ehe und einer geschiedenen dritten Ehe die Zahlung einer Witwenversorgung nach dem schädigungsbedingten Tod ihres ersten Ehemannes.
Die durchgehend in Thüringen lebende Klägerin heiratete am 7. Oktober 1939 den damaligen Obergefreiten … (nachfolgend: U.) in … Thüringen. U. wurde am 9. September 1944 aufgrund eines Urteils des Feldkriegsgerichtes des Generals der Flakartillerie Süd wegen „Fahnenflucht u.a.” standrechtlich erschossen.
Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes schloß die Klägerin am 2. Oktober 1948 vor dem Standesamt in … eine erneute Ehe mit dem Reporter … K. (nachfolgend: K.). Da K. zum Zeitpunkt der Eheschließung noch verheiratet gewesen war, wurde diese Ehe am 9. Januar 1953 durch Urteil des Kreisgerichtes R. in Thüringen (rechtskräftig seit 22. Februar 1953) gemäß § 20 Ehegesetz für nichtig erklärt. Eine weitere Ehe der Klägerin mit dem Arbeiter … W. (nachfolgend: W.) – geschlossen am 6. April 1957 in …/Thüringen – wurde am 9. Dezember 1958 durch Urteil des Kreisgerichtes … (rechtskräftig seit 10. Dezember 1958) geschieden.
Mit Antrag vom 30. April 1991 (eingegangen bei dem Beklagten am 6. Mai 1991) beantragte die Klägerin die Gewährung einer Witwenversorgung gemäß dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach ihrem ersten Ehemann U.. Mit Bescheid vom 22. Januar 1992 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Tod des U. mit den schädigenden Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG in keinem ursächlichen Zusammenhang gestanden habe und im übrigen kein Wiederaufleben der Witwenversorgung in Betracht käme, da unter dem Begriff der „neuen Ehe” nur die erste Eheschließung nach dem Tode des Beschädigten zu verstehen sei. Dies träfe auch dann zu, wenn die zweite Ehe für nichtig erklärt worden sei und die Witwe eine dritte Ehe eingegangen sei. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 10. April 1992 als unbegründet zurückgewiesen.
Unter dem 1. Februar 1993 beantragte die Klägerin im Wege der Überprüfung im Sinne des § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Rücknahme des Bescheides vom 22. Januar 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 1992. Nachforschungen des Beklagten beim Bundesarchiv – Zentralnachweisstelle –, bei der Deutschen Dienststelle (WASt) und beim Krankenbuchlager in Berlin ergaben lediglich, daß der erste Ehemann der Klägerin wegen „Fahnenflucht u.a.” (begangen am 25. April 1944) aufgrund des Urteils des Feldkriegsgerichtes des Generals der Flakartillerie Süd am 9. September 1944 standrechtlich erschossen wurde. Seitens der katholischen Kirche in Manching wurde mit Schreiben vom 6. Mai 1946 mitgeteilt, daß U. am 9. September in Ingolstadt wegen „Fahnenflucht und Zersetzung der Wehrkraft” standrechtlich erschossen worden sei.
Mit Bescheid vom 21. Juni 1993 hob der Beklagte den Bescheid vom 22. Januar 1992 auf und lehnte gleichzeitig die Gewährung einer wiederaufgelebten Witwenversorgung nach dem BVG ab. Zur Begründung führte der Beklagte an, daß der Tod des U. entgegen der noch im Bescheid vom 22. Januar 1992 vertretenen Auffassung aufgrund der kriegsgerichtlichen Hinrichtung als Schädigungsfolge im Sinne des BVG anzusehen sei. Der Klägerin stünde dennoch kein Anspruch, auf Witwenversorgung zu, da sie bereits eine dritte Ehe eingegangen und die zweite nichtig erklärte Ehe der Klägerin als neue Ehe i.S.d. § 44 Abs. 2 BVG zu berücksichtigen sei.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 1. März 1994 als unbegründet zurückgewiesen, da im Versorgungsrecht auch eine nichtige Ehe als neue Ehe im Sinne des § 44 Abs. 2 BVG berücksichtigt werden müsse.
Die daran anschließende Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 15. September 1994 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) zur Berücksichtigung von nichtig erklärten Ehen im Versorgungsrecht als unbegründet abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, daß bezüglich der Anwendung der Rechtsprechung des BSG auf das Beitrittsgebiet erhebliche Bedenken bestünden. Die Verhältnisse in der ehemaligen DDR erforderten eine Änderung dieser Rechtsprechung. Die Klägerin bekäme weder Unterhalt nach dem geschiedenen Ehemann W. noch Versorgung nach dem ersten Ehemann U.. Insoweit bestünde hier eine Versorgungslücke.
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 15. September 1994 wird aufgehoben; der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 21. Juni 1993 in Gestalt des Widerspruchsbeschei...