Verfahrensgang

AG Gera (Entscheidung vom 09.05.2005; Aktenzeichen 260 Js 2189/05 - 5 OWi)

 

Gründe

I. Durch Bußgeldbescheid vom 08.11.2004 verhängte das Thüringer Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle - gegen den Betroffenen wegen Führens eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/l oder mehr geführt hat, eine Geldbuße von 250,00 Ç und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat Dauer an.

Der Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen am 11.11.2004 zugestellt. Hiergegen legte die Verteidigerin des Betroffenen mit Schriftsatz vom 19.11.2004, eingegangen beim Thüringer Polizeiverwaltungsamt am selben Tag, Einspruch ein.

Am 09.05.2005 verurteilte das Amtsgericht Gera den Betroffenen "wegen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,35 mg/l" zu einer Geldbuße von 250,00 Ç und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat an.

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 17.05.2005, die mit Schriftsatz vom 04.07.2005 begründet worden ist. Gerügt wird näher ausgeführt die Verletzung formellen und materiellen Rechtes. Die Zustellung des Urteiles vom 09.05.2005 an den Verteidiger erfolgte am 03.06.2005.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 19.08.2005 beantragt, das Urteil des Amtgerichtes Gera vom 09.05.2005 aufzuheben und den Betroffenen freizusprechen.

Mit Beschluss vom 31.08.2005 ist die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen worden.

II. Die Rechtsbeschwerde führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteiles des Amtsgerichtes Gera und zum Freispruch des Betroffenen.

1. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil das Amtsgericht seiner Überzeugungsbildung ein unverwertbares Messergebnis zu Grunde gelegt hat.

a) Ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe wurde der Betroffene am 19.09.2004 um 4.12 Uhr anlässlich einer Polizeikontrolle angehalten und ein erster Alkoholtest durchgeführt. Anschließend wurde auf der Polizeiwache um 4.25 Uhr eine Atemalkoholmessung mit dem Messgerät Alcotest 7110 Evidential durchgeführt, die einen Wert von 0,371 mg/l ergab, und um 4.28 Uhr eine zweite, die einen Messwert von 0,346 mg/l erbrachte. Daraus wurde eine Atemalkoholkonzentration von 0,35 mg/l im Mittelwert berechnet. Das Amtsgericht ist dabei aufgrund einer Wahrunterstellung davon ausgegangen, dass der Betroffene weniger als 20 Minuten vor der Atemalkoholmessung alkoholische Getränke zu sich genommen hat.

b) Die Einhaltung einer Wartezeit von 20 Minuten - und nicht lediglich von 10 Minuten, wie das Amtsgericht fehlerhaft meint - ist aber notwendige Verfahrensbedingung für die Gewinnung eines zuverlässigen Messergebnisses bei der Atemalkoholbestimmung (Senatsbeschluss vom 22.07.2005, Az.: 1 Ss 191/05, m.w.N.). Erst nach mindestens zwanzigminütiger Wartezeit hat sich das Risiko von Schwankungen auf ein zu vernachlässigendes geringes Maß vermindert (Schoknecht, Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse, Gutachten des Bundesgesundheitsamtes, Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, hrsg. im Auftrag des Bundesministers für Verkehr von der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft 86, 1992, S. 12).

c) Die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und erster Atemalkoholmessung macht das Messergebnis unverwertbar. Es genügt nicht, einen Sicherheitsabschlag vorzunehmen (OLG Dresden VRS 108, 279, 280; NStZ 2004, 352; Senat aaO.). Denn es liegen keine gesicherten Erkenntnisse dafür vor, in welcher Höhe ein derartiger Sicherheitsabstand festzusetzen wäre.

2. Da auszuschließen ist, dass fast zehn Monate nach der Tat die erforderlichen - hier notwendigerweise minutengenauen - Feststellungen zum genauen Trinkende noch getroffen werden können, insbesondere die Einlassung des Betroffenen zu widerlegen ist, er habe kurz vor dem Anhalten einen Schluck Cola mit Whiskey getrunken, sieht der Senat von einer Zurückverweisung ab und entscheidet selbst in der Sache (§ 79 Abs. 6 OWiG).

Der Angeklagte war freizusprechen, weil das Vorliegen einer Atemalkoholkonzentration von mindestens 0,25 mg/l nicht nachgewiesen ist. Zugunsten des Betroffenen ist von der Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und erster Atemalkoholmessung auszugehen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2581499

DAR 2006, 225

VRS 2006, 149

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