Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert: Dienstleistungskonzession
Leitsatz (amtlich)
I. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren nach den §§ 116 ff. GWB ist, wenn es um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession mit einer befristeten Laufzeit von mehr als 48 Monaten geht (hier Wasserversorgung und Abwasserentsorgung für 20 Jahre und einer Option auf weitere 5 Jahre), auf der Grundlage der gesamten Vertragslaufzeit zu ermitteln. Der Auftragswert ergibt sich aus denjenigen Erlösen, die der Auftragnehmer nach dem Inhalt seines Angebots aus der Verwertung seiner Leistung während der Vertragslaufzeit voraussichtlich erzielen wird.
II. Ändert der Antragsteller während des Beschwerdeverfahrens seinen Antrag dahin, festzustellen, dass er in seinen Rechten auf Einhaltung des Vergaberechts verletzt sei, hat das keinen Einfluss auf den Streitwert.
Normenkette
GKG § 50 Abs. 2
Verfahrensgang
Vergabekammer des Freistaats Thüringen (Aktenzeichen 360-4003.20-4253/2007-034-GTH) |
Tenor
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 11.350.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens war die Vergabe von Leistungen der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung im Wege der Dienstleistungskonzession. Die Konzession sollte für die Dauer von 20 Jahren mit einer Option für weitere 5 Jahre vergeben werden. Die Vergabestelle hat während des laufenden Beschwerdeverfahrens das Bieterverfahren aufgehoben und mitgeteilt, die betroffenen Leistungen künftig selbst erbringen zu wollen. Die Antragstellerin hat deshalb ihren Antrag geändert und begehrte zuletzt die Feststellung, sie sei durch das aufgehobene Vergabeverfahren in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB auf Einhaltung der Vergabevorschriften verletzt worden. Im Übrigen nimmt der Senat hinsichtlich des Sachverhalts in der Hauptsache Bezug auf seinen Beschluss vom 11.12.2009.
Aus dem Angebot der Antragstellerin ergibt sich, dass die Antragstellerin mit folgenden Entgelten für die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung kalkuliert hat:
2008 5.600.000 EUR
2009 5.600.000 EUR
2010 5.700.000 EUR
2011 5.700.000 EUR
2012 5.700.000 EUR
2013 bis 2027 jeweils 5.800.000 EUR
Es handelt sich bei den Angaben jeweils um Nettoentgelte; die Entgelte für die Trinkwasserversorgung enthalten ausdrücklich nicht die Pachtzahlungen, die der Konzessionär für die Überlassung der Anlagen der Trinkwasserversorgung nach den Vertragsentwürfen an die Vergabestelle zu entrichten hatte und die nach § 6 Abs. 4 lit. a) des Entwurfs des Wasserversorgungs- und- konzessionsvertrags Bestandteil des privatrechtlichen Entgelts waren, das der Konzessionär von den Abnehmern erheben sollte. Die Pachthöhe sollte sich nach § 3 des Entwurfs des Pachtvertrags nach den Selbstkosten des Verpächters, insb. den Abschreibungen und Zinsen richten. Die Vergabestelle hat vorgetragen, Zinsen und Abschreibungen hätten 2008 2.187.000 EUR und 2009 (nach Planrechnung) 2.212.000 EUR betragen; nach derzeitiger Vorschaulage beliefen sie sich 2020 auf 2.420.000 EUR. Diesem Vorbringen sind die anderen Beteiligten nicht entgegen getreten.
II. Der Streitwert für Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen der Vergabekammern gem. § 116 GWB beträgt nach § 50 Abs. 2 GKG 5 % der Bruttoauftragssumme. Die Bruttoauftragssumme im Sinne dieser Vorschrift ergibt sich nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, im Regelfall aus dem Bruttoangebotspreis des Bieters, der das Nachprüfungsverfahren eingeleitet hat (BGH NZBau 2006, 392 f.).
1. Geht es wie hier um befristete Verträge mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten, entspricht es der ganz herrschenden Meinung in der Rechtsprechung, dass in die Ermittlung der Bruttoauftragssumme der gesamte Vertragszeitraum einschließlich eventueller Optionen einzubeziehen ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.7.2003, VII-Verg 22/00 - die dort noch vertretene Auffassung, Optionen seien nicht zu berücksichtigen, hat das OLG Düsseldorf inzwischen aufgegeben, Beschl. v. 17.1.2006 - Verg 63/05; OLG Brandenburg NZBau 2003, 803 ff. - aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht beanstandet durch BVerfG NZBau 2007, 117 ff.; BayObLG VergabeR 2004, 121 f.; OLG Naumburg NZBau 2005, 486 f.; OLG München, Beschl. v. 16.3.2009 - Verg 25/08). Das wird im Wesentlichen mit der auch nach Auffassung des Senats durchgreifenden Erwägung begründet, dass der Gesetzgeber für die Streitwertberechnung im Rahmen des § 50 Abs. 2 GKG auf den allgemeinen Grundsatz des wirtschaftlichen Interesses an einer Entscheidung abzielte. Dieses wirtschaftliche Interesse des Bieters, der ein Vergabenachprüfungsverfahren einleitet, liegt im Allgemeinen darin, den Auftrag für den gesamten Zeitraum einschließlich der optional angebotenen Vertragslaufzeit zu erhalten. Vor diesem Hintergrund hat der Senat Bedenken, sich dem OLG München anzuschließen, das in Fällen befristeter Dienstleistungsverträge mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten, bei denen ein Gesamtpreis nicht anzugeben ist, bei der Bemessung des Streitwerts nach § 50 A...