Leitsatz (amtlich)

Ein Berufungsführer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sein Rechtsmittel zu begründen (§ 317 StPO). Wenn jedoch der Nebenkläger Berufung eingelegt hat, die nur eingeschränkt zulässig ist, ist er gehalten, deren Ziel anzugeben, um dem Berufungsgericht die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu ermöglichen.

Es ist zweifelhaft, ob bei Ermittlung des Berufungsziels überhaupt auf Umstände außerhalb der Rechtsmittelschriften zurückgegriffen werden kann, die in die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils fallen.

Ein solcher Rückgriff ist aber jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Nebenkläger auf sein eingeschränktes Berufungsrecht hingewiesen und ausdrücklich aufgefordert worden ist, das Ziel der Anfechtung darzulegen.

 

Normenkette

StPO §§ 317, 322, 400 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Entscheidung vom 27.06.2006; Aktenzeichen 4 Ns jug.)

 

Tenor

  • Die sofortige Beschwerde wird verworfen.

  • Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die darin entstandenen notwendigen Auslagen der Angeklagten hat der Nebenkläger zu tragen.

 

Gründe

I.

Die gem. § 322 Abs. 2 StPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde des Nebenklägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Zutreffend hat das Landgericht Mühlhausen das unbezeichnete Rechtsmittel des Nebenklägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Nordhausen vom 20.02.2006 (Az.: 217 Js .../04 - 32 Ls jug.) als Berufung behandelt, da innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO keine Wahl zwischen Berufung und Revision erfolgt ist.

Die Berufung erweist sich als unzulässig und ist zu Recht gem. § 322 Abs. 1 StPO verworfen worden.

Die durch § 400 Abs. 1 StPO eingeschränkten Voraussetzungen, unter denen die Berufung des Nebenklägers zulässig sein könnte, liegen nicht vor.

Ein Berufungsführer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sein Rechtsmittel zu begründen (§ 317 StPO). Wenn jedoch - wie hier - der Nebenkläger Berufung eingelegt hat, die nur eingeschränkt zulässig ist, ist er, um dem Berufungsgericht die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu ermöglichen, gehalten, deren Ziel anzugeben (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 400 Rn. 5).

Die Rechtsmittelschriften des Nebenklägers enthalten aber weder einen Antrag noch eine nähere Begründung, aus der sich ein bestimmtes Ziel des Rechtsmittels zuverlässig entnehmen ließe.

Nachdem die Angeklagten wegen des ihnen durch Anklage der Staatsanwaltschaft Mühlhausen vom 04.03.2003 (Bl. 270 ff. Bd. II d.A.) vorgeworfenen Nebenklagedelikts verurteilt wurden und sich kein Anhalt für die Behauptung unrichtiger Rechtsanwendung findet, ist offen, ob sich der Nebenkläger - zulässigerweise - etwa gegen die Nichtverurteilung der Angeklagten wegen versuchten Totschlags bzw. Beihilfe zum versuchten Totschlag wendet oder ob er - unzulässigerweise - lediglich den Rechtsfolgenausspruch beanstanden will.

Dass der Nebenkläger vor Verkündung des angefochtenen Urteils mit Fax vom 17.02.2006 beim Amtsgericht Nordhausen darauf angetragen hat, dass die Angeklagten "nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt werden, sondern die Anklage erweitert wird auf den Tatbestand des versuchten Totschlags sowie der Beihilfe zu einem versuchten Totschlag", führt zu keiner anderen Beurteilung.

Zweifelhaft ist bereits, ob bei Ermittlung des Berufungsziels überhaupt auf Umstände außerhalb der Rechtsmittelschriften zurückgegriffen werden kann, die in die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils fallen (in diesem Sinne: OLG Düsseldorf NStZ 1994, 507, 508). Denn auch die Ziele eines Nebenklägers können sich im Laufe der Zeit ändern. Dass der Nebenkläger zunächst ein bestimmtes Ziel verfolgt hat, ist daher kein zuverlässiger Anhalt dafür, dass er hieran immer noch festhält.

Ein solcher Rückgriff ist aber jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der Nebenkläger - wie hier - auf sein eingeschränktes Berufungsrecht hingewiesen und ausdrücklich aufgefordert worden ist, das Ziel der Anfechtung darzulegen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3030589

NStZ-RR 2007, 209

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