Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs wegen langer Trennung bei wirtschaftlicher Verselbständigung der Beteiligten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs ist gerechtfertigt, wenn die Beteiligten für längere Zeit von einander getrennt gelebt haben und in dieser Zeit keine Versorgungsgemeinschaft mehr gebildet haben (hier: 130 Monate des Zusammenlebens bei 98 Monaten der Trennung).
2. Aufgrund der außergewöhnlich langen Dauer der Trennung der Beteiligten und der in diesem Zeitraum gänzlich fehlenden wirtschaftlichen Kooperation oder gar Verflechtung sind nur die Anrechte in den Ausgleich einzustellen, welche nach Eheschließung bis zum zunächst möglichen Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworben worden sind.
Normenkette
VersAusglG § 27
Verfahrensgang
AG Weimar (Beschluss vom 09.01.2013; Aktenzeichen 9 F 52/08) |
Tenor
I. Der Beschluss des AG - Familiengericht - Weimar vom 9.1.2013 (Az. 9 F 52/08 VA) wird abgeändert:
1. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr.) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht i.H.v. 1,3147 Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.3.2008, übertragen.
2. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr.) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht i.H.v. 5,4162 Entgeltpunkten (Ost) auf das vorhandene Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31.3.2008, übertragen.
3. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Zusatzversorgungskasse Thüringen (Vers. Nr.) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht i.H.v. 5,3 Versorgungspunkten nach Maßgabe der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Tarif 2002 i.V.m. der Satzung der Zusatzversorgungskasse Thüringen in der Fassung der 7. Änderungsatzung vom 16.4.2010), bezogen auf den 31.3.2008, übertragen.
4. Der Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Zusatzversorgungskasse Thüringen (VSNR.:) unterbleibt.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2760 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Eheleute haben am 19.4.1989 vor dem Standesamt in W. unter der Heiratsregister Nr. geheiratet. Der Antragsteller ist am 10.5.1967 und die Antragsgegnerin am 19.6.1968 geboren. Der Antragsteller ist freischaffender Musiker; die Antragsgegnerin ist Verwaltungsangestellte.
Aus der Ehe sind die gemeinsamen Kinder
Th., geboren am 4.6.1988,
F., geboren am 4.10.1989,
C., geboren am 4.11.1990 und
G., geboren am 4.12.2000 hervorgegangen.
Die Beteiligten haben sich Anfang 2000 zuletzt getrennt. Auch zuvor gab es mehrere Trennungen, u.a. 1996, nachdem der Antragsteller aus der Ehewohnung ausgezogen war.
Der Antragsteller war im Zeitpunkt der Eheschließung Student. In Anschluss an das Studium hat er vorübergehend im Rahmen einer Fördermaßnahme des Arbeitsamtes im "C-K." gearbeitet. Im Übrigen arbeitete der Antragsteller als Musikpädagoge (Honorarkraft) für das Jugendblas- und Showorchester sowie die Musikschulen in E. und E.. Im Wesentlichen lebt er von seinen Auftritten mit verschiedenen Bands, mit denen er auch auf Tour geht.
Der Antragsteller hat im Jahr 2007 acht Bewerbungen, im Jahre 2006 eine Bewerbung, im Jahre 2003 eine Bewerbung, im Jahre 2002 eine Bewerbung sowie im Jahre 2001 eine Bewerbung vorgelegt. Die Bewerbung im Jahre 2007 wurde durch den Antragsteller abgesagt.
Die Antragsgegnerin hat 1987 ihr Abitur abgelegt und ein Chemiestudium in L. begonnen. Bereits im ersten Semester ist die Antragsgegnerin schwanger geworden. Die erste Tochter der Parteien, Th., wurde geboren. Nach der Babypause hat die Antragsgegnerin das Studium abgebrochen. 1989 wurde die zweite Tochter der Parteien F. und dann 1990 C. geboren.
Nach der Geburt der drei Kinder hat die Antragsgegnerin vom 1.10.1993 bis 30.9.1996 ein Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung absolviert. Mit dessen Abschluss erfüllte die Antragsgegnerin die Voraussetzungen für den gehobenen Dienst in der Verwaltung. Während des Studiums erhielt die Antragsgegnerin monatlich 1200 EUR netto zzgl. Kindergeld.
Im Februar 2003 hat die Antragsgegnerin ihre berufliche Tätigkeit wieder aufgenommen und arbeitet seither in Vollzeit.
Die Antragsgegnerin hat ab 1997 zunächst für die drei älteren Kinder Leistungen nach dem UVG in Anspruch genommen. Insoweit hat ein gesetzlicher Anspruchsübergang stattgefunden. Im Jahre 2000 wurde das vierte Kind G. geboren, weshalb die Antragsgegnerin bis Februar 2003 beruflich ausgesetzt hat. Bis zum Februar 2003 hat der Antragsteller 700 DM/350 EUR für die Kinder überwiesen. Der Antragsteller hat keinen Unterhalt mehr gezahlt, nachdem die Antragsgegnerin wieder zu arbeiten begonnen hat. Die Antragsgegnerin nimmt seit Ei...