Verfahrensgang

AG Stadtroda (Entscheidung vom 07.10.2009; Aktenzeichen 598 Js 21262/09 - 4 OWi)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Das Urteil des Amtsgerichts Stadtroda vom 07.10.2009 wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Stadtroda zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Rechtsbeschwerde war wegen Versagung des rechtlichen Gehörs (dazu unten II) zuzulassen (§ 80 Abs.1 Nr. 2 OWiG).

II. Die damit statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat (vorläufig) Erfolg.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 18.12.2009 hierzu ausgeführt:

"Mit Bußgeldbescheid der Thüringer Polizei -Zentrale Bußgeldstelle- vom 08.05.09 wurde gegen die Betroffene wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h eine Geldbuße von 120,- EUR festgesetzt. Dagegen legte die Betroffene form- und fristgerecht Einspruch ein.

Mit Beschluss vom 10.08.09 bestimmte das Amtsgericht Stadtroda Termin zur Hauptverhandlung auf den 07.10.09. Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 14.08.09 beantragte die Betroffene sie von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Gleichzeitig wurde die Täterschaft der Betroffenen zugestanden und erklärt in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zu machen.

Mit Verfügung vom 17.08.09 entband das Amtsgericht Stadtroda die Betroffene von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im Hauptverhandlungstermin.

In der Hauptverhandlung am 07.10.09, an der weder die Betroffene noch ihr Verteidiger teilnahmen, wurde gegen die Betroffene wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h eine Geldbuße von 120,- EUR festgesetzt.

Nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger am 22.10.09 legte dieser mit Schriftsatz vom 22.10.09 Rechtsbeschwerde ein und beantragte die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Mit Schriftsatz vom 26.11.09, am gleichen Tage beim Amtsgericht Stadtroda eingegangen, begründete der Verteidiger der Betroffenen das Rechtsmittel.

Mit dem Rechtsmittel rügt die Betroffene u.a. die Verletzung rechtlichen Gehörs. Das Amtsgericht habe in der Hauptverhandlung am 07.10.09 Erkenntnisse zum Gegenstand der Hauptverhandlung des Urteils gemacht, von den weder die Betroffene noch ihr Verteidiger Kenntnis gehabt habe. Weiterhin wird mit der Rechtsbeschwerde die Verletzung sachlichen Rechts gerügt.

Der Zulassungsantrag und die Rechtsbeschwerde sind m.E. begründet.

Die Betroffene rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs. Der Sache nach wird gerügt, dass das Gericht Beweismittel verwertet habe, mit deren Verwertung die Betroffene nicht rechnen musste. Das Gericht habe ausgeführt, das Messgerät sei noch keine 3 Monate in Betrieb gewesen. Die Geschwindigkeitsmessanlage sei ganz neu installiert und bis zum Juni 2009 dort 230.000 Fahrzeuge mit Geschwindigkeitsverstößen registriert worden, ohne dass sich Zweifel an der Zuverlässigkeit des Messverfahrens ergeben hätten.

Die Versagung rechtlichen Gehörs ist mit der Verfahrensrüge geltend zu machen (OLG Düsseldorf, VRS 47, 57, 58; Thüringer Oberlandesgericht VRS 107, 289, 290). Dabei müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen so genau und so vollständig angegeben werden (§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO), dass das Rechtsbeschwerdegericht schon anhand der Rechtsmittelschrift ohne Rückgriff auf die Akten prüfen und im Freibeweisverfahren abschließend feststellen kann, ob der behauptete Fehler tatsächlich vorliegt (OLG Hamm VRS 96, 60, 61; Thüringer Oberlandesgericht aaO.). Der Betroffene muss deshalb bei der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs darlegen, was er im Falle seiner Anhörung geltend gemacht hätte bzw. dass er bei erlaubter Abwesenheit überhaupt erschienen wäre (vgl. Göhler, OWiG, 50. Aufl., § 80 Rdnr. 16c).

Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag gerecht. Es wird vorgetragen, das Gericht habe zum Nachteil der Betroffenen Erkenntnisse durch Nutzung nicht bekannter Beweismittel verwertet, nämlich Feststellungen zur Inbetriebnahme der Geschwindigkeitsmessanlage und der bisherigen Zuverlässigkeit des Messverfahrens. Diese Erkenntnisse sind den Akten nicht zu entnehmen und ergeben sich auch nicht aus dem Eichschein, so dass die Gehörsrüge insoweit zulässig erhoben ist.

Die Gehörsrüge ist auch begründet.

Der Betroffenen ist das rechtliche Gehör insofern versagt worden, als in der Hauptverhandlung Erkenntnisse aus unbekannten Beweismitteln genutzt worden sind, mit deren Verwertung sie nicht rechnen musste.

Ein in Abwesenheit ergehendes Urteil darf nur auf solche dem Betroffenen bekannten Beweismittel gestützt werden. Dies folgt aus dem auch für das Bußgeldverfahren verbindlichen, sich aus Art. 103 Abs. 1 GG ableitenden Grundsatz, dass ein Gericht seiner Entscheidung nur jene Tatsachen zugrunde legen darf, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten...

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