Leitsatz (amtlich)
1. Der Wahlverteidiger muss in Folge der in § 42 Abs. 4 RVG statuierten Bindungswirkung die Pauschgebühr zu einem Zeitpunkt beantragen, in dem die durch das Oberlandesgericht zu treffende Feststellung im Kostenfestsetzungsverfahren noch Berücksichtigung finden kann.
2. Auch bei gleichzeitigem Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr und Antrag auf Kostenfetsetzung steht ein rechtskräftiger Kostenfestsetzungsbeschluss der Entscheidung nach § 42 Abs. 1 RVG entgegen. Es liegt in der Hand des Verteidigers durch Einlegen von Rechtsmitteln im Kostenfestsetzungsverfahren zu sichern, dass zunächst das vorrangige Verfahren nach § 42 RVG durchgeführt wird.
Normenkette
RVG § 42; StPO § 464b
Verfahrensgang
LG Erfurt (Aktenzeichen 881 Js 77889/99 1 Kls jug) |
Tenor
Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Rechtsanwalt Dr. F wurde im Verfahren 881 Js 7785/99 3 Kls jug. vom damaligen Angeklagten H K als Verteidiger beauftragt. Dies geschah nach der Verurteilung durch das Landgericht Erfurt vom 23.05.2002 wegen zweifacher sexueller Nötigung - Vergewaltigung - sowie Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Erfurt vom 01.02.2999 (Az. 332 Js 32919/00 43 Ds) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten.
Dem Verteidiger wurde vom ehemaligen Angeklagten eine "Vollmacht zu seiner Verteidigung und Vertretung in allen Instanzen sowie im Vorverfahren erteilt und zwar auch für den Fall seiner Abwesenheit zur Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO mit ausdrücklicher Ermächtigung auch nach §§ 233 Abs. 1, 234 StPO, mit der besonderen Befugnis: ...
3.Anträge auf Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung, Wiedereinsetzung, Haftentlassung, Strafaussetzung, Kostenfestsetzung, Wiederaufnahme des Verfahrens, Anträge nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, insbesondere auch für das Betragsverfahren und sonstige Anträge zu stellen.
..... ".
Aufgrund dieser Vollmacht war der Verteidiger zunächst im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof tätig. An der erneuten Hauptverhandlung vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Erfurt vom 16.09.2003 nach teilweiser Aufhebung des o.g. Urteils durch den Bundesgerichtshof hat der Verteidiger nicht teilgenommen. Weiterhin verteidigte er den ehemaligen Angeklagten im Strafvollstreckungsverfahren und wurde schließlich für diesen auch in zwei Wiederaufnahmeverfahren tätig. Die Staatsanwaltschaft Gera hatte zunächst unter dem 23.03.2004 die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des Urteils des Landgerichts Erfurt vom 16.09.2003 zugunsten des H K beantragt. Dieser Wiederaufnahmeantrag wurde am 16.08.2005 durch das Landgericht Gera als unzulässig verworfen. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 05.05.2006 zurück. Unter dem 27.02.2007 beantragte der Verteidiger seinerseits die Wiederaufnahme des Verfahrens. Mit Beschluss des Landgerichts Gera vom 07.04.2008 (Az.: 321 Js 11320/07 1 KLs (27)/11) wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens 130 (881) Js 7785/99 - 3 KLs jug, in welchem H K am 23.05.2002 durch die 3. Strafkammer des Landgerichts Erfurt der zweifachen sexuellen Nötigung (Vergewaltigung) sowie der Körperverletzung rechtskräftig für schuldig befunden und durch Urteil des Landgerichts Erfurt am 16.09.2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 2 Monaten verurteilt worden ist, überwiegend als zulässig angesehen und die Unterbrechung der Strafvollstreckung angeordnet. Mit Beschluss vom 12.09.2008 ordnete das Landgericht Gera in diesem Umfang die Wiederaufnahme des Verfahrens an und hob das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23.05.2002 auf, soweit der damalige Angeklagte der zweifachen sexuellen Nötigung (Vergewaltigung) schuldig gesprochen worden war und sprach ihn insoweit frei. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Antragstellers/Angeklagten, einschließlich derjenigen des Revisions- und Wiederaufnahmeverfahrens wurden der Staatskasse auferlegt, soweit der Antragsteller/Angeklagte freigesprochen worden war.
Mit an das Landgericht Gera gerichtetem Schriftsatz vom 23.10.2008 beantragte der Verteidiger, ihm "Pauschgebühren gem. § 99 Abs. 1 BRAGO bzw. § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG für die Verteidigung des Angeklagten/Antragstellers vor dem Landgericht Erfurt und dem Wiederaufnahmeverfahren, welches beim Landgericht Gera anhängig war, zu bewilligen". Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tage, ebenfalls gerichtet an das Landgericht Gera, 1. Strafkammer, beantragte der Verteidiger die Festsetzung der notwendigen Auslagen des Antragsstellers/Angeklagten für das Strafverfahren, das Strafvollstreckungsverfahren, sowie das Wiederaufnahmeverfahren.
Eine Kostenfestsetzung wurde vom zuständigen Landgericht Erfurt zunächst mit Beschluss vom 31.08.2009 abgelehnt, auf die Beschwerde jedoch im Rahmen des Abhilfeverfahrens vorgenommen. Mit Beschluss vom 02.12.2009 wurden durch das Landgericht Kosten in Höhe von 5.789,75 € ...