Verfahrensgang

VK Thüringen (Entscheidung vom 07.07.2010)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Vergabestelle gegen den Beschluss der Vergabekammer beim Thüringer Landesverwaltungsamt vom 07.07.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Vergabestelle hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

3. Die Beigeladene hat ihre Kosten selbst zu tragen.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 32.229,77 € festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Vergabestelle hat im Februar 2010 als Teil einer Bauleistung unter Los-Nr. 174-1 die Lieferleistung "Endoskopietechnik" im offenen Verfahren ausgeschrieben. Die europaweite Bekanntmachung dieses Auftrages kam nicht zustande, insbesondere unterblieb eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union.

Die Bekanntmachung im Thüringer Staatsanzeiger indes dokumentiert die ausgeschriebene Leistung, wonach die Art des Auftrags als Bau- und als Lieferleistung ausgewiesen wurde. Eine Dokumentation dessen in der Vergabeakte unterblieb. Als Zuschlagskriterium war dabei das "wirtschaftlich günstigste Angebot bezüglich: Kriterium Preis 100 v.H." bezeichnet. Schlusstermin für den Eingang der Angebote zu diesem Los war der Submissionstermin am 25.03.2010, 12.00 Uhr, die Bindefrist des Angebots lautete auf den 30.04.2010.

Es sollten Nebenangebote abgegeben werden können. Das in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vom 05.03.2010 in Bezug genommene Formblatt Mindestanforderungen an Nebenangebote 226 EG war dieser nicht beigefügt. Es wurde erst auf Rüge der Beigeladenen mit Schreiben vom 15.03.2020 an alle Bieter nachgereicht.

Ausweislich der Niederschrift zur Verdingungsverhandlung vom 25.03.2010 waren zu diesem Termin drei Angebote eingegangen (Bl. 30 f. der Vergabeakte). Das Angebot der Beigeladenen war nach rechnerischer Prüfung der Angebote durch die Vergabestelle mit ca. 440.000,00 € das preisgünstigste. Das Angebot der Antragstellerin mit einem Angebotspreis von ca. 640.000,00 € belegte den 2. Platz. Eine dritte Bewerberin hatte ein Angebot mit einem Preis von über 900.000,00 € abgegeben.

Rügen von Bietern hatte die Vergabestelle bzw. die von ihr eingesetzte Projektleiterin, die K GmbH, mehrfach zu beantworten. Die Rügen der Beigeladenen bezogen sich u.a. auf die fehlende europaweite Ausschreibung und darauf, dass Nebenangebote mangels Mindestbedingungen nicht wertbar seien.

Am 26.04.2010 fand ausweislich des Protokolls Bl. 48 ff. der Vergabeakte in L eine Produktvorstellung der Beigeladenen gegenüber der Vergabestelle statt, in deren Ergebnis u.a. die Zuschlagsfrist bis zum 17.05.2010 verlängert wurde. Eine weitere Verlängerung erfolgte bis zum 04.06.2010 (Bl. 21 der Vergabeakte).

Ausweislich der in der Vergabeakte befindlichen Schreiben vom 17.05.2010 (Bl. 127 f. der Vergabeakte) hat die Projektleiterin sowohl die Antragstellerin als auch die dritte Bieterin informiert, dass deren Angebote nicht berücksichtigt werden konnten, weil diese jeweils nicht das wirtschaftlichste im Hinblick auf den Preis waren. Zugleich wurde mitgeteilt, dass vorgesehen ist, den Auftrag an die Beigeladene zu vergeben. Diese Schreiben waren nicht unterzeichnet, sondern endeten mit "gez. K, K GmbH".

Eine Beteiligung der Vergabestelle selbst ist in der Vergabeakte lediglich durch die Erklärungen des Geschäftsführers und des technischen Leiters vom 12. und 21.05.2010, wonach unter Bezugnahme auf ein Bietergespräch - in der Erklärung vom 12.05.2010 ist die Rede von einem nirgends dokumentierten "schriftlichen Bietergespräch" - Hauptauftrag und Teilauftrag der Beigeladenen erteilt werden sollten (Bl. 17 ff. der Vergabeakte), sowie durch die Rügebeantwortung vom 15.03.2010 dokumentiert (Bl. 138 ff. der Vergabeakte).

Mit Schriftsatz vom 21.05.2010 rügte die Antragstellerin Verstöße der Vergabestelle gegen Vergabevorschriften (Bl. 26 ff. der Vergabeakte). Dieser Rüge hat die Projektleiterin der Vergabestelle mit Schreiben vom 27.05.2010 nicht abgeholfen (Bl. 23 ff. der Vergabeakte).

Aus dem Vergabevermerk vom 01.06.2010 (Bl. 2 ff. der Vergabeakte) geht hervor, dass der Zuschlag am 01.06.2010 schriftlich an die Beigeladene erfolgt sein soll. Die Dokumente Hauptauftragserteilung (Bl. 11 ff. der Vergabeakte) und Teilauftragserteilung (Bl. 14 f. der Vergabeakte) datieren am 31.05.2010 (im Unterschriftsfeld dann jeweils 07.06.2010), sind jedoch nicht unterschrieben. Eine unterschriebene Zuschlags-/Auftragserteilung ist in der Vergabeakte nicht dokumentiert. Die Beigeladene gibt an, das Zuschlagschreiben vom 31.05.2010 am 02.06.2010 erhalten zu haben.

Am 03.06.2010 hat die Antragstellerin ein Nachprüfungsverfahren mit dem Ziel, der Vergabestelle aufzugeben, den Zuschlag auf ihr Angebot zu erteilen, eingeleitet. Hilfsweise hat sie beantragt, der Vergabestelle aufzugeben, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer und unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen, den durch sie gerügten Vergabefehler durch Wiederholung der Angebotswertung abzuhelfen...

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