Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenbefreiung von Gemeinden
Leitsatz (amtlich)
Eine nach §§ 2 Abs. 3 S. 2 GKG, 6 Abs. 1 Nr. 2 ThürJKostG grundsätzlich bestehende Gebührenbefreiheit der Gemeinde scheidet aus, soweit sich die Gemeinde in einem Prozessvergleich zur Übernahme der Kosten verpflichtet hat. Die Kostenverteilung, auf die sich die Parteien in einem Prozessvergleich einigen, stellt eine vertragliche Regelung im Sinne von § 6 Abs. 4 ThürJKostG dar.
Normenkette
GKG § 2 Abs. 1, 3 S. 2; ThürJKostG § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Aktenzeichen 3 O 133/15) |
Tenor
Die Erinnerung der (Berufungs-) Beklagten gegen den Kostenansatz vom 05.04.2017 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beklagte wurde von der Klägerin wegen Amtshaftung in Anspruch genommen. Im Verfahren über die Berufung der Klägerin einigten sich die Parteien über eine vergleichsweise Beendigung des Rechtsstreits. Durch Beschluss vom 16.03.2017 wurde gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO das Zustandekommen und der Inhalt des Vergleichs festgestellt (vgl. Bl. 157 f.). Die Parteien vereinbarten darin die Aufhebung der Kosten.
In der Gerichtskostenrechnung vom 05.04.2017 (vgl. Bl. VII) wurde eine ermäßigte Verfahrensgebühr in Höhe von 292 EUR (KV-GKG 1222) sowie die Entschädigung für Zeugen in Höhe von 122,50 EUR (KV-GKG 9005) berechnet. Die Kostenschuld der Beklagten wurde auf 207,50 EUR festgesetzt.
Hiergegen legte die Beklagte unter dem 20.04.2017 Erinnerung ein mit der Begründung, dass sie als Gemeinde nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 ThürJKostG von den Gerichtskosten befreit sei (vgl. Bl. 175).
Die Kostenbeamtin half der Erinnerung am 27.04.2017 nicht ab (vgl. Bl. 177 d.A.). Der Beklagten komme keine Gebührenfreiheit zu, da sie sich im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung gegenüber der Klägerin zur Entrichtung der Hälfte der Gerichtsgebühren verpflichtet habe.
Der Bezirksrevisors bei dem Thüringer Oberlandesgericht teilte in seiner Stellungnahme vom 10.05.2017 die Auffassung der Kostenbeamtin unter Verweis auf § 6 Abs. 4 ThürJKostG (vgl. Bl. 178 f.).
II. Die statthafte Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG ist zulässig, hat indes in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 2 Abs. 1 GKG sind nur der Bund und die Länder von der Zahlung der Gerichtskosten befreit, nicht jedoch die Gemeinden. Allerdings können nach § 2 Abs. 3 S. 2 GKG landesrechtliche Regelungen zur Kostenfreiheit führen, wie die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 ThürJKostG, wonach Gemeinden von der Zahlung von Gerichtsgebühren befreit sind, soweit die Angelegenheit keine - hier offensichtlich nicht in Rede stehende - wirtschaftlichen Unternehmungen betrifft. Diese Gebührenfreiheit wird jedoch durch § 6 Abs. 4 ThürJKostG in zweifacher Hinsicht ausdrücklich eingeschränkt:
Hinsichtlich der Auslagen für die Entschädigung der Zeugen kann die Erinnerung keinen Erfolg haben, weil diese Auslagen schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 4 ThürJKostG von der Gebührenfreiheit ausgenommen sind.
Ferner sieht § 6 Abs. 4 ThürJKostG vor, dass die Gebührenfreiheit nicht von "Beträgen" entbindet, "zu deren Entrichtung der Befreite sich Dritten gegenüber vertragsmäßig verpflichtet hat".
Von der Regelung ist auch der Prozessvergleich umfasst. Dieser stellt einen schuldrechtlichen Vertrag nach § 779 BGB dar, dem jedoch im Hinblick auf seine prozessuale Wirkung eine Doppelnatur zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.2006 - V ZR 275/04 - Rn. 9, juris). Damit stellt die Kostenverteilung, auf die sich die Parteien in einem Prozessvergleich einigen, auch eine vertragliche Regelung im Sinne von § 6 Abs. 4 ThürJKostG dar, die zu einer schuldrechtlichen Verpflichtung der Parteien führt. Es ist weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs-1/334 S. 216 ff.) ersichtlich, dass in § 6 Abs. 4 ThürJKostG Prozessvergleiche ausgenommen werden sollen. Davon ist das Thüringer Oberlandesgericht bereits in einem Beschluss vom 27.05.2002 - 4 W 237/02 - (vgl. Rn. 11 letzter Satz, juris) ausgegangen und hat dies in einer weiteren Entscheidung hinsichtlich einer Eintragungsgebühr nach einem Grundstückskaufvertrag (vgl. Beschluss vom 11.11.2015 - 1 W 518/15 -, juris) bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer vergleichbaren Konstellation auch ausgeführt, dass es sich bei der privatautonomen Vereinbarung der Kostentragung in einem Prozessvergleich um etwas qualitativ anderes als um eine gerichtliche Kostenentscheidung handele, die die Partei gerade nicht beeinflussen könne und deswegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Kostentragung durch die - an sich gebührenbefreite - bedürftigen Partei erhoben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.06.2000 - 1 BvR 741/00 -, juris). Der hier vorgenommenen Auslegung des § 6 Abs. 4 ThürJKostG steht auch nicht die Entscheidung des Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (vgl. Beschluss vom 18.09.2013 - 2 W 31/12 -, juris) zu einer vergleichbaren Landesregelung entgegen, wei...