Leitsatz (amtlich)

Das Berufungsgericht ist zumindest dann, wenn die Anträge in den Instanzen nicht gewechselt haben, auch befugt den Streitwert für die I. Instanz erstmalig festzusetzen (entgegen OLG Köln VersR 73, 1032; OLG Köln DGVZ 86, 151; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 63 GKG, Rz. 35).

 

Tenor

Der Streitwert für die I. Instanz und die Berufungsinstanz wird auf 52.878,92 EUR festgesetzt.

 

Gründe

1. Der Senat hat den Streitwert für die Berufungsinstanz gem. §§ 3 ZPO, 47, 63 GKG unter Berücksichtigung der von den Klägern gestellten Anträgen wie folgt gebildet:

  • Berufungsantrag zu I.1.: 15.996,33 EUR - Zahlungsantrag;
  • dem Berufungsantrag zu I. 2. war kein eigener Wert beizumessen, da eine Sicherungsabtretung der Lebensversicherungen erfolgt war und deren Rückübertragungswert in dem Darlehenswert aufgeht;
  • Berufungsantrag zu II.: 36.035,85 EUR - Darlehensvaluta - ein Abschlag von 20 % kommt nach herrschender Meinung bei einer sog. negativer Feststellungsklage nicht in Betracht;
  • Berufungsantrag zu III.: 846,74 EUR - eine 0,65-RA-Gebühr zzgl. MwSt. aus den Werten der Anträge zu I. und II.;
  • Hilfsantrag: kein eigener Wert, in II. enthalten.

2. Der Senat hat auch den Streitwert für den Rechtsstreit I. Instanz festsetzen können.

Die Befugnis dazu ergibt sich aus der erweiternden Auslegung des § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Senat teilt jedenfalls in Fällen wie diesem, in denen die Anträge des Klägers und Berufungsklägers in beiden Instanzen gleich geblieben sind, die Auffassung des OLG Celle (OLGR 2002, 188 ff.), des Bundessozialgerichts (ZfS 2006, 368) und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (NZS 2006, 559 f.), dass das Gericht des höheren Rechtszugs auch den Streitwert für die untere Instanz - erstmalig - festsetzen darf. Wenn ein höheres Gericht die Festsetzung des unteren Gerichtes gem. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG (früher § 25 Absw. 3 Satz 2 GKG) sogar von Amts wegen ändern kann, muss es erst recht befugt sein, den Streitwert erstmalig festzusetzen, wenn dies das Gericht erster Instanz entgegen § 63 Abs. 1 und 2 GKG unterlassen hat.

Die gegenteilige Auffassung im Schrifttum (vgl. insb. Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 63 GKG Rz. 35) und älterer Rechtsprechung (OLG Köln VersR 73, 1032; OLG Köln DGVZ 86, 151) geben keine nähere Begründung, warum die Befugnis des Berufungsgerichtes insoweit eingeschränkt sein sollte.

Soweit Schneider (JurBüro 69, 705) darauf verweist, dass die Parteien einen Anspruch darauf hätten, dass die Überlegungen des erstinstanzlichen Richters berücksichtigt würden, vermag dies nicht zu überzeugen. Sofern der erstinstanzliche Richter seine Überlegungen - im Einklang mit der gesetzlichen Vorschrift des § 63 Abs. 1 und 2 GKG - den Parteien zur Kenntnis geben will, so ist er daran nicht gehindert. Sofern der erstinstanzliche Richter eine Streitwertfestsetzung entgegen der genannten Vorschriften aber gerade unterlässt, erscheint es eine unnötige Förmelei, wenn in diesem Fall das Berufungsgericht nur den Streitwert für die Berufungsinstanz festsetzen dürfte, anschließend nach zum Teil längerer Verfahrensdauer die Akte dem erstinstanzlichen Richter, der zwischenzeitlich möglicherweise aufgrund von Änderungen des Geschäftsverteilungsplans sogar gewechselt haben kann, vorlegt und dieser sich erneut in die Akte einarbeiten muss und den Streitwert sodann für die erste Instanz festsetzt. Sofern diese Festsetzung von der des Berufungsgerichtes abweichen sollte, so steht zu befürchten, dass gegen die erstinstanzliche Festsetzung Beschwerde eingelegt würde, über die dann wiederum das Rechtsmittelgericht zu entscheiden hätte. Da der Wille des Gesetzgebers gerade auf eine Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren gerichtet ist, erscheint eine entsprechende Anwendung und erweiternde Auslegung des § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG zumindest in den Fällen, in denen keine Änderung der Anträge in den Instanzen stattgefunden hat, angezeigt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1761504

OLGR-Ost 2007, 933

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