Leitsatz (amtlich)
1.
Ist ein Verteidiger in später verbundenen Verfahren jeweils als Wahlverteidiger tätig und erfolgt die Bestellung zum Pflichtverteidiger erst nach Verbindung der Verfahren, so besteht für die Tätigkeit in den einzelnen Verfahren bis zur Verbindung ein gesonderter Gebührenanspruch, § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG. Das Problem der Erstreckung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG stellt sich dann nicht.
2.
Entstehen bei Verfahrensverbindung mehrere Gebühren, ist dies im Rahmen der Abwägung nach § 51 RVG zu berücksichtigen.
3.
Eine rechtskräftige Kostenfestsetzung kann jedenfalls dann nicht im Verfahren nach § 51 RVG korrigiert werden, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pauschgebühr nicht vorliegen.
Verfahrensgang
AG Rudolstadt (Entscheidung vom 23.08.2007; Aktenzeichen 635 Js 41839/06) |
Tenor
Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die Angeklagte wurde am 12.04.2007 im Verfahren 635 Js 41839/06 durch die Staatsanwaltschaft Gera, Zweigstelle Rudolstadt, Anklage wegen Leistungserschleichung in 32 Fällen erhoben. In diesem Verfahren war der Antragsteller seit dem 30.05.2007 als Wahlverteidiger tätig.
Im Verfahren 635 Js 8494/07 wegen Leistungserschleichung in 2 Fällen erhob die Staatsanwaltschaft Gera, Zweigstelle Rudolstadt, am 25.04.2007 Anklage. Auch in diesem Verfahren war der Antragsteller seit dem 12.06.2007 als Wahlverteidiger tätig.
Im Verfahren 635 Js 9462/07 erhob die Staatsanwaltschaft Gera, Zweigstelle Rudolstadt, gegen die Angeklagte Anklage wegen Leistungserschleichung in 14 Fällen am 04.05.2007. Der Antragsteller war insoweit für die Angeklagte seit dem 12.06.2007 als Wahlverteidiger tätig.
Unter dem 22.05. erhob die Staatsanwaltschaft Gera, Zweigstelle Rudolstadt, gegen die Angeklagte weitere 4 Anklagen:
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im Verfahren 635 Js 14225/07 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln
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im Verfahren 635 Js 9932/07 wegen Leistungserschleichung
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im Verfahren 635 Js 9933/07 wegen Leistungserschleichung in 2 Fällen
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im Verfahren 635 Js 10685/07 wegen Leistungserschleichung.
In diesen 4 Verfahren war der Antragsteller jeweils seit dem 12.06.2007 als Wahlverteidiger für die Angeklagte tätig.
Mit Beschluss vom 09.07.2007 wurden die Verfahren 635 Js 41839/06,635 Js 8494/07,635 Js 9492/07,635 Js 14225/07,635 Js 9932/07,635 Js 9933/07 und 635 Js 10685/07 unter Führung des erstgenannten Verfahrens verbunden.
Weiterhin hatte die Staatsanwaltschaft Gera, Zweigestelle Rudolstadt, bereits am 07.05.2007 im Verfahren 116 Js 58651/07 gegen die Angeklagte Anklage wegen gemeinschaftlichen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung erhoben. Auch in diesem Verfahren war der Antragsteller seit dem 12.06.2007 als Wahlverteidiger tätig. Dieses Verfahren wurde dem führenden Verfahren mit Beschluss vom 30.07.2007 hinzuverbunden.
Mit Beschluss vom 06.08.2007 wurde der Antragsteller der Angeklagten zum Pflichtverteidiger bestellt. Außerdem erhob die Staatsanwaltschaft Gera, Zweigstelle Rudolstadt, gegen die Angeklagte am 01.08.2007 Anklage im Verfahren 635 Js 12635/07 wegen Diebstahls mit Waffen in Tatmehrheit mit Diebstahl in 9 Fällen. In dieser Sache zeigte der Antragsteller unter dem 06.08.2007 die Verteidigung der Angeklagten an. Mit Beschluss vom 14.08.2007 wurde auch dieses Verfahren zum führenden Verfahren 635 Js 41839/06 hinzuverbunden.
Am 23.08.2007 fand in den verbundenen Verfahren die Hauptverhandlung vor dem Jugendrichter des Amtsgerichts Rudolstadt, Zweigstelle Saalfeld, statt, die von 9:00 Uhr bis 10:45 Uhr dauerte. Die Angeklagte wurde des Diebstahls in 8 Fällen, des versuchten Diebstahls, des Erschleichens von Leistungen in 49 Fällen und des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig gesprochen. Das Gericht setzte die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe zur Bewährung aus.
Auf Antrag von Rechtsanwalt ... wurden die gesetzlichen Gebühren auf 428,00 EUR (netto) festgesetzt.
Mit seinem Antrag vom 28.11.2007 begehrt der Verteidiger die Festsetzung einer Pauschvergütung nach § 51 RVG i. H. v. 1.432,52 EUR (2,5-fache Pflichtverteidigergebühren zzgl. Auslagenpauschale und Kopiekosten zzgl. gesetzlicher MwSt.).
Der Bezirksrevisor bei dem Thüringer Oberlandesgericht hat vorgeschlagen, eine Pauschvergütung i. H. v. 560,00 EUR zu bewilligen.
II.
Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr ist nicht begründet.
Ausgangspunkt für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr vorliegen, sind die gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers.
Vorliegend sind entgegen dem Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers auf Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren vom 27.08.2007, dem darauf beruhenden Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Saalfeld, Zweigstelle Rudolstadt, vom 05.02.2008, dem Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung vom 28.11.2007 und der Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem Thüringer Oberlandesgericht vom 20.05.2008 höhere gesetzliche Pflichtvert...