Leitsatz (amtlich)
1. Der gerichtlichen Anordnung eines paritätischen Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils steht - de lege lata - das Fehlen einer Rechtsgrundlage entgegen.
a) Eine Anordnung in Gestalt einer Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 3 S. 1 BGB kommt weder bei wortlautorientierter noch bei teleologischer Gesetzesauslegung in Betracht.
b) Für eine Analogie zu § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist kein Raum, weil die historische Normgenese gegen die Annahme einer Gesetzeslücke spricht.
c) Die Zuweisung eines periodisch alternierenden Aufenthaltsbestimmungsrechts ist mit der Systematik der in §§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 1687 Abs. 1 S. 2 BGB verankerten Wertungen strukturell nicht vereinbar.
2. Es gibt in rechtstatsächlicher Hinsicht derzeit keine hinreichend gesicherten humanwissenschaftlichen Erkenntnisse, wonach die erzwungene Anordnung eines Wechselmodells dem Kindeswohl förderlich ist.
3. Das Gelingen eines Wechselmodells setzt ein - im Rahmen einer Einzelfallentscheidung zu überprüfendes - hohes Maß an gegenseitiger Kooperation, Kommunikation und Kompromissbereitschaft der Kindeseltern voraus.
Verfahrensgang
AG Gera (Beschluss vom 30.10.2015; Aktenzeichen 6 F 628/15) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Gera vom 30.10.2015 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des am ... 2008 geborenen Kindes ...
In einer gerichtlich gebilligten Vereinbarung vor dem AG Blomberg vom 03.05.2011 (Az.: 3 F 151/10) haben sich die Eltern auf folgende Umgangsregelung verständigt:
1. Der Antragsgegner ist zum Umgang mit der gemeinsamen Tochter ..., geb. am ... 2008, alle vierzehn Tage am Wochenende in der Zeit von Freitag, 15.00 Uhr bis Montag, 08.00 Uhr berechtigt. In den Wochen, in denen kein Wochenendumgang gemäß vorstehender Regelung stattfindet, ist der Antragsgegner zum Umgang mit der gemeinsamen Tochter in der Zeit von Donnerstag, 15.00 Uhr bis Freitag, 18.00 Uhr berechtigt.
2. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass es sich bei der unter Ziffer 1 getroffenen Regelung um eine vorläufige Regelung handelt.
Die Beteiligten werden unverzüglich eine gemeinsame Elternberatung an dem neuen Wohnort in Gera aufsuchen. Dort soll nach Möglichkeit eine endgültige Umgangsregelung getroffen werden.
Darüber hinaus schlossen die Eltern im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm (Az.: II-6 UF 150/11) am 06.02.2012 eine Vereinbarung dahingehend, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht beiden Eltern zusteht und der künftige Aufenthalt des Kindes bei der Mutter beibehalten werden soll.
Aus Anlass der Schuleinführung des Kindes im September 2015 hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 10.07.2015 beantragt, ein Wechselmodell gerichtlich anzuordnen.
Er hat die Auffassung vertreten, dass ... mit ihrer Einschulung einer gezielten Förderung durch ihn selbst bedürfe, welche mit der aktuellen Umgangsregelung nicht umgesetzt werden könne.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie hat angeführt, dass der Antragsteller ihr den Aufenthalt seit der Trennung im April 2010 streitig mache. Bereits in dem gesondert anhängig gemachten Sorgerechtsverfahren (Az. 3 F 151/10) hätten sich das Jugendamt, die Sachverständige, der Verfahrensbeistand sowie sie selbst gegen ein Wechselmodell ausgesprochen. Bereits damals habe man festgestellt, dass eine erhebliche Kommunikationsproblematik und dadurch bedingt nur eine eingeschränkte Kooperationsfähigkeit bestehe. Darüber hinaus sei dem Antragsteller vorgeworfen worden, dass er immer eine negativ gefärbte Haltung gegenüber der Kindesmutter einnehme und die emotionale Mutter-Kind-Beziehung nicht erkenne.
Auf Drängen des Antragstellers sei das Kind schließlich bei der Kinderpsychologin L. zu einer Therapie angemeldet worden. Im Ergebnis der Therapie habe die Psychologin festgestellt, dass dem Kind nichts fehle; das Problem seien vielmehr die Eltern und deren mangelhafte Kommunikation. Infolgedessen sei von einem Wechselmodell dringend abzuraten.
Der Verfahrensbeistand hat sich in seiner Stellungnahme vom 20.08.2015 aufgrund der massiven Spannungen der Kindeseltern gegen ein Wechselmodell ausgesprochen.
Das AG hat nach persönlicher Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 30.10.2015 den Umgang moderat erweitert, die Anordnung eines Wechselmodells aber abgelehnt.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Umgangsregelung wird auf den Entscheidungstenor verwiesen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er weiterhin am Ziel der Anordnung eines Wechselmodells festhält.
Er rügt, dass sich das Familiengericht nicht hinreichend mit der Argumentation der Befürworter eines Wechselmodells in Rechtsprechung und Fachliteratur auseinandergesetzt habe.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetret...