Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Beschwerdewert bei einem überschuldeten Nachlass
Leitsatz (amtlich)
1. Ist bei einem deutlich überschuldeten Nachlass der Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG erreicht, so muss das Beschwerdegericht das ihm zur "Entscheidung über die befristete Gegenvorstellung" vorgelegte Verfahren als Beschwerdeverfahren behandeln.
2. Ist die 6-Wochen-Frist der §§ 1956, 1954 Abs. 1 BGB zur Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB abgelaufen, kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.
Normenkette
FamFG §§ 61, 68; GNotKG §§ 40, 36 Abs. 3; BGB §§ 1944 ff.
Verfahrensgang
AG Arnstadt (Beschluss vom 06.03.2015; Aktenzeichen 4 VI 180/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG - Nachlassgerichts - Arnstadt vom 06.03.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 1) zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Am 19.03.2014 verstarb die Erblasserin im Alter von 62 Jahren. Mit notariellem Testament vom 19.05.1987 (Bl. 4 d.A.) hat sie ihren damaligen Lebensgefährten und späteren Ehegatten - den Beteiligten zu 2) - sowie ihren Sohn - den Beteiligten zu 1) - zu gemeinschaftlichen Erben "je zur Hälfte" eingesetzt.
Am 28.03.2014 eröffnete das Nachlassgericht das Testament (Bl. 5 d.A.) und informierte die beiden testamentarisch Begünstigten mit Hinweisschreiben vom 03.04.2014 von dem Erbfall (Bl. 6 d.A.). Auf den am 14.07.2014 zu seiner Niederschrift erklärten Antrag des Beteiligten zu 2) (Bl. 24 ff. d.A.) erteilte das Nachlassgericht am 16.07.2014 einen die Beteiligten zu 1) und 2) als testamentarische Erben zu je 1/2 ausweisenden Erbschein (Bl. 28 d.A.).
Mit Anwaltsschriftsatz vom 22.08.2014 (Bl. 35 f. d.A.) erklärte der Beteiligte zu 1) die Anfechtung der durch das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist konkludent bewirkten Erbschaftsannahme mit der Begründung, erst am 21.08.2014 von einer erheblichen Steuerschuld der Erblasserin und der hieraus folgenden Überschuldung des Nachlasses erfahren zu haben. Nachdem am 29.10.2014 (Bl. 44 Rücks. d.A.) zunächst der Nachlassrechtspfleger und anschließend - auf Nachfrage der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) (Bl. 48 d.A.) - mit Schreiben vom 14.11.2014 (Bl. 49 d.A.) auch der Nachlassrichter auf die mit der anwaltlichen Anfechtungserklärung nicht gewahrten Formerfordernisse der §§ 1945, 129 BGB hingewiesen hatte, verwies der Beteiligte zu 1) bzw. dessen Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 21.11.2014 (Bl. 52 f. d.A.) auf die notarielle Beglaubigung der der Anfechtungserklärung zugrundeliegenden Anwaltsvollmacht (Bl. 37 d.A.). Hilfsweise beantragte der Beteiligte zu 1) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit von ihm selbst und seiner Verfahrensbevollmächtigten unterzeichnetem Schriftsatz vom 25.11.2014 wiederholte der Beteiligte zu 1) seine Anfechtungserklärung und legte zugleich eine notarielle Beglaubigung beider Unterschriften vor (Bl. 59 - 63 d.A.).
Mit Beschluss vom 06.03.2015 (Bl. 64 ff. d.A.) lehnte das Nachlassgericht die Einziehung des Erbscheins ab und wies zugleich den Wiedereinsetzungsantrag des Beteiligten zu 1) zurück. Eine formwirksame Anfechtungserklärung läge nicht vor. Wiedereinsetzung sei auch nicht zu gewähren, denn die fehlerhafte Rechtsauffassung seiner Anwältin, die notarielle Beglaubigung der Anwaltsvollmacht genüge zur Wahrung des Formerfordernisses der §§ 1945 Abs. 1, 129 BGB müsse sich der Beteiligte zu 1) als eigenes Verschulden anrechnen lassen. Auf das Nachlassverzeichnis des Beteiligten zu 2) abstellend setzte das Nachlassgericht den Geschäftswert des Verfahrens auf 50 EUR fest und traf hieran anknüpfend die Entscheidung, die Beschwerde mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 61 Abs. 3 Nr. 1 FamFG nicht zuzulassen.
Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 02.06.2015 zugestellten (Bl. 67a d.A.) Beschluss legte der Beteiligte zu 1) am 02.07.2015 dennoch Beschwerde ein (Bl. 75d. A). Mit Blick auf eine Steuernachforderung von ca. 18.000 EUR gegen die Erblasserin und ihren Ehegatten läge die Beschwer deutlich über 600 EUR. Die Nichtzulassung der Beschwerde sei mithin rechtsfehlerhaft.
Mit der Begründung, die Nichtzulassungsentscheidung sei nicht anfechtbar und bindend, hat das Nachlassgericht die nach seiner Auffassung nicht statthafte Beschwerde als auf ergänzende Zulassung der Beschwerde gerichtete Gegenvorstellung behandelt. Weil es an einer willkürlichen und schwerwiegenden Verletzung von Verfahrensrechten des Beteiligten zu 1) fehle, sei die Gegenvorstellung - so der Vorlagevermerk vom 20.07.2015 (Bl. 78 d.A.) - jedoch unzulässig. Die Voraussetzungen des § 61 Abs. 3 FamFG lägen ungeachtet des Schreibfehlers bei der Festsetzung des Geschäftswerts (50 EUR statt der im Nachlassverzeichnis angegebenen 500 EUR) nicht vor.
II. Das dem Senat zur "Entscheidung über die befristete Gegenvorstellung" vorgelegte Verfahren war als Beschwerdeverfahren...