Verfahrensgang
AG Erfurt (Entscheidung vom 25.07.2003) |
Gründe
I. Das Amtsgericht Erfurt hat mit Urteil vom 25.07.2003 gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 22 km/h innerhalb einer geschlossenen Ortschaft nach § 24 StVG, § 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO eine Geldbuße in Höhe von EUR 50,- verhängt.
Mit Verfügung vom gleichen Tag übersandte das Amtsgericht Erfurt die Akten zum Zwecke der Zustellung gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 41 StPO der Staatsanwaltschaft Erfurt. In der Verfügung wurde um umgehende Rückgabe der Akten gebeten, falls die Einlegung eines Rechtsmittels erfolgt. Der Richter verfügte die Wiedervorlage des Retents in zwei Wochen.
Mit Schreiben vom 01.08.2003 - eingegangen bei Gericht am selben Tag - legte die Staatsanwaltschaft Erfurt Rechtsbeschwerde ein. Die Rücksendung der Akten wurde seitens der Staatsanwaltschaft nicht veranlasst, sie verfügte eine Wiedervorlagefrist von 1 Monat.
Am 16.10.2003 gingen die Akten bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Erfurt ein. Das mit Gründen versehene Urteil gelangte schließlich am 22.10.2003 zur Geschäftsstelle.
Die Staatsanwaltschaft Erfurt begründete ihre eingelegte Rechtsbeschwerde mit am 11.12.2003 bei Gericht eingegangenem Schreiben, nachdem ihr das mit Gründen versehene Urteil am 11.11.2003 zugestellt worden war. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Erfurt zurückzuverweisen.
II. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden. Sie führt bereits mit der Verfahrensrüge, das Urteil sei nicht innerhalb der Frist nach § 275 Abs.
1 Satz 2 StPO zu den Akten gelangt, zu einem vorläufigen Erfolg. Auf die weiteren Sachrügen braucht der Senat daher nicht einzugehen.
Die eingelegte Rechtsbeschwerde vom 01.08.2003 gegen das am 25.07.2003 verkündete Urteil setzte die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO in Gang. § 77 b Abs. 2 OWiG sieht vor, dass der Richter, welcher zunächst nach Abs. 1 dieser Vorschrift von einer schriftlichen Begründung absehen durfte, diese nachzuholen hat, wenn von der Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Dazu steht ihm die Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zur Verfügung. Diese Frist beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde zu laufen, nicht schon ab Urteilsverkündung. Die am 01.08.2003 in Gang gesetzte Frist endete zum 05.09.2003. Tatsächlich gelangte das Urteil jedoch erst am 22.10.2003 zu den Akten.
Ein unvorhersehbarer, unabwendbarer Umstand, der die Fristeinhaltung gehindert hätte (§ 275 Abs. 1 Satz 4 StPO), lag nicht vor. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Erfurt die Akten nach eingelegter Rechtsbeschwerde nicht unverzüglich an das Amtsgericht zurückgesandt. Jedoch stellt dies keinen unvorhersehbaren, unabwendbaren Umstand für das Gericht dar, der die Einhaltung der Frist für die Absetzung der schriftlichen Urteilsgründe verhinderte.
Ein solcher Umstand liegt insbesondere dann nicht vor, wenn Akten zeitweilig versendet werden und durch ein Versehen des Richters oder der Geschäftsstelle die Akten oder das Retent mit den zwischenzeitlich erfolgten Eingängen nicht vorgelegt oder aus einem sonstigen Umstand nicht zur Kenntnis genommen werden. Das Gericht war gehalten, nach der eingelegten Rechtsbeschwerde, die Akten von der Staatsanwaltschaft rechtzeitig zur Urteilsabsetzung zurückzufordern, nachdem diese die Akten nicht wie gebeten zurücksandte. Die Überwachung der Fristen oblag dem Gericht.
Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO liegt somit vor, auf welchen sich die Staatsanwaltschaft berufen kann.
Der aufgezeigte Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des Urteils vom 25.07.2003 und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Erfurt.
Fundstellen
Haufe-Index 2581480 |
VRS 2004, 374 |