Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Anwendbares Recht und maßgeblicher Zeitpunkt für Verfahrenswertbestimmung bei Überleitung des Versorgungsausgleichs in das neue Recht
Leitsatz (amtlich)
Der Verfahrenswert bei wiederaufgenommenen ausgesetzten Versorgungsausgleichsverfahren ist mit 10 Prozent des dreifachen Nettoeinkommens der Parteien je Anrecht anzusetzen, wobei hierfür die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages maßgebend sind.
Normenkette
FGG-RG Art. 111 Abs. 4; FamFG §§ 59, 57; FamGKG §§ 34, 50
Verfahrensgang
AG Erfurt (Beschluss vom 17.05.2010; Aktenzeichen 38 F 603/00) |
Tenor
I. In Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Erfurt vom 17.5.2010 (Ziff. 4.) wird der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren auf 1.043,04 EUR festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das AG hat mit Urteil vom 8.3.2001 die Ehe der Parteien geschieden und das Versorgungsausgleichsverfahren nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt.
Die Antragsgegnerin beantragte am 5.11.2009 die Wiederaufnahme des Versorgungsausgleichsverfahrens aufgrund des angestrebten Bezuges einer Erwerbsunfähigkeitsrente.
Nach den neu eingeholten Auskünften der Versorgungsträger hat der Ehemann in der gesetzlichen Rentenversicherung ehezeitliche Anwartschaften Ost und die Ehefrau sowohl Ost- als auch Westanrechte erworben.
Das AG hat mit Beschluss vom 15.5.2010 den Versorgungsausgleich geregelt, die Westanwartschaften der Ehefrau dem Ausgleich allerdings nicht unterzogen (§ 18 Abs. 2 VersAusglG).
Darüber hinaus setzte das AG den Verfahrenswert unter Berücksichtigung dreier Anrechte sowie eines 10-prozentigen Anteils des in drei Monaten erzielten gemeinsamen Nettoeinkommens von 680 EUR auf 2.040 EUR fest und ließ die Beschwerde hinsichtlich der Festsetzung ausdrücklich zu.
Mit ihrer Beschwerde vom 21.5.2010 erstrebt die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners die Anhebung des Verfahrenswertes unter Berücksichtigung des Ansatzes von 20 % des gemeinsamen Nettoeinkommens der Eheleute.
II. Die Beschwerde ist gem. § 59 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 57 FamGKG sowie § 32 Abs. 2 RVG statthaft und im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie fristgerecht (§§ 59 Abs. 1 Satz 3, 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG) eingelegt worden.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde in voller Besetzung, da der gem. §§ 59 Abs. 1 Satz 5, 57 Abs. 5 FamGKG an sich zuständige Einzelrichter das Verfahren wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache dem Senat übertragen hat.
Die Beschwerde führt im Umfang des Beschlusstenors zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
a) Das AG hat das wiederaufgenommene Versorgungsausgleichsverfahren zutreffend nach Art. 111 Abs. 4 FGG-RG als selbständige Familiensache unter Anwendung des ab dem 1.9.2009 geltenden Rechts fortgeführt (vgl. auch Keidel/Engelhardt, FamFG, Art. 111 FGG-RG Rz. 8).
Die Regelung des Art. 111 FGG-RG ist ebenfalls für die Anwendung des Kostenrechts maßgebend und verdrängt insbesondere § 63 FamGKG (vgl. Schneider/Wolf/Volpert, FamGKG, § 63 Rz. 13 ff.; Gerhardt/Keske, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 7. Aufl., Kap. 17 Rz. 103).
b) Die Berechnung des Verfahrenswerts richtet sich dementsprechend, wie das Familiengericht damit zutreffend dargestellt hat, nach § 50 Abs. 1 FamGKG. Danach beträgt der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen für jedes Anrecht 10 Prozent, bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung für jedes Anrecht 20 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten, insgesamt mindestens 1.000 EUR.
c) Der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin allerdings nur dann mit 20 Prozent des dreifachen Nettoeinkommens der Parteien je Anrecht anzusetzen, wenn der Versorgungsausgleich nach § 20 bis § 27 VersAusglG durchgeführt wird, nicht aber auch dann, wenn ein Ausgleich auf der Grundlage von § 1 bis § 19 VersAusglG zeitlich nach der Scheidung erfolgt (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 6.5.2010 - 7 WF 598/10 - zitiert nach juris; so wohl auch Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rz. 1120; Schneider/Wolf/Volpert, a.a.O., § 50 Rz. 12; Hartmann, Kostengesetzte, 40. Aufl., § 50 FamGKG Rz. 4 und 5; Enders, JurBüro 2009, 341; Schneider, FamRZ 2010, 87 ff.; Grabow, FamRB 2010, 93).
Ein derartiger Verweis auf den Ausgleich nach §§ 20 ff. VersAusglG findet sich im Übrigen auch in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 16/11903, 61). Dort heißt es: "In § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG wird zunächst eine Sonderregel für die Bestimmung des Verfahrenswertes bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung (§ 20 ff. VersAusglG) eingefügt: In diesen Fällen beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht 20 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten."
d) Das AG hat für die Wertermittlung darüber hinaus beanstand...