Leitsatz (amtlich)
Das Führen des Kraftfahrzeuges mit überhöhter Geschwindigkeit i.S.d. § 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274) StVO und das teils zeitgleiche Verwenden des Mobiltelefons i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO stehen im Konkurrenzverhältnis der Tateinheit i.S.d. § 19 OWiG.
Normenkette
OWiG §§ 19-20; StVO § 23 Abs. 1a, § 41 Abs. 2 Nr. 7
Verfahrensgang
AG Jena (Entscheidung vom 28.04.2009; Aktenzeichen 598 Js 36347/08 - 1 OWi) |
Tenor
1. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
2. Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eine Mobiltelefons als Führer eines Kraftfahrzeuges, indem er dieses aufnahm und hielt, in Tateinheit mit fahrlässiger Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 100,- Euro verurteilt
3. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die dem Betroffenen insoweit entstandenen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Angewendete Vorschriften: (§§.23 Abs. 1a, 41 Abs. 2 Nr. 7 [Zeichen 274], 49 Abs. 1 Nr. 22, Abs. 3 Nr. 4 StVO; § 24 StVG; § 19 OWiG)
Gründe
I. Mit Bußgeldbescheid der Thüringer Polizei - Zentrale Bußgeldstelle - vom 05.08.2008 wurde gegen den Betroffenen wegen verbotswidrigen Benutzens eines Mobil- oder Autotelefons als Führer eines Kraftfahrzeugs durch Aufnehmen oder Halten des Mobiltelefons oder Hörers des Autotelefons und tateinheitlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 60 km/h um 13 km/h eine Geldbuße von 50,- Euro festgesetzt.
In der auf den fristgerechten Einspruch des Betroffenen gegen diesen Bescheid durchgeführten Hauptverhandlung vom 28.04.2009 setze das Amtsgericht Jena gemäß §§ 23 Abs. 1a, 41 Abs. 2, Zeichen 274, 49 StVO, 24 StVG, 11.3.2. BKat, 20 OWiG folgende Geldbußen festgesetzt:
- 80,- Euro, weil er vorsätzlich als Führer eines Kraftfahrzeuges verbotswidrig ein Mobiltelefon benutzte, indem er dieses aufnahm und hielt,
- 40,- Euro, weil er fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 60 km/h um abzüglich der Messtoleranz 13 km/h überschritt.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene durch Fax-Schreiben seines Verteidigers beim Amtsgericht Jena am 05.05.2009 die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt.
Nach Zustellung einer Ausfertigung des vollständig begründeten Urteils an den Verteidiger am 02.06.2009 hat dieser mit weiterem Fax-Schreiben beim Amtsgericht am 02.07.2009 den Zulassungsantrag des Betroffenen begründet. Gestützt auf die näher ausgeführte Rüge der Verletzung materiellen Rechts durch rechtsfehlerhafte Annahme von Tatmehrheit macht er der Sache nach geltend, dass gemäß den tatrichterlichen Feststellungen aus Zweifelsgründen Tateinheit auszuurteilen war, ohne einen Beschwerdeantrag anzubringen.
Zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hat der zuständige Einzelrichter mit Beschluss vom 05.10.2009 die Rechtsbeschwerde zugelassen und die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II. In der Sache hat die danach zulässige Rechtsbeschwerde Erfolg. Sie führt auf die ausgeführte Sachrüge hin zur Abänderung des Schuldspruchs und zur Neubestimmung der Geldbuße, da der Bußgeldrichter zu Unrecht von einer tatmehrheitlichen Begehungsweise ausgegangen ist.
1. Nach den - rechtsfehlerfrei getroffenen - Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 03.05.2008 um 17.53 Uhr mit seinem Pkw die BAB 4 in Fahrtrichtung Dresden. Bei Kilometer 171,0 überschritt er außerorts die durch Zeichen 274 angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um (abzüglich der Toleranz von 3 km/h) 13 km/h. Darüber hinaus hielt der Betroffene während der Fahrt mit seiner linken Hand ein Mobiltelefon an sein linkes Ohr.
2. Diese Feststellungen rechtfertigen nicht die Verurteilung des Betroffenen wegen tatmehrheitlich begangener Verstöße gegen §§ 23 Abs. 1a, 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274) StVO.
a) Nach § 19 Abs. 1 OWiG wird nur eine Geldbuße festgesetzt, wenn dieselbe Handlung mehrere Gesetze, nach denen sie als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, verletzt. "Dieselbe Handlung" im Sinne des Gesetzes ist dabei eine einzige Willensbetätigung oder eine natürliche Handlungseinheit. Letztgenannte ist gegeben, wenn mehrere Verhaltensweisen in einem solchen unmittelbaren (räumlichen und zeitlichen) Zusammenhang stehen, dass das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten (objektiv) als ein einheitlich zusammengefasstes Tun anzusehen ist (vgl. Göhler/Gürtler, OWiG, 15. Aufl. vor § 19 Rdnr. 3, § 19 Rdnr. 2; KK-Bohnert, OWiG, 2. Aufl., § 19 Rdnr. 19 jeweils m.w.N.).
Zwar bewirkt die bloße Gleichzeitigkeit der Verletzung mehrerer Deliktstatbestände noch nicht die Handlungsidentität im Sinne von § 19 Abs. 1 OWiG. Vielmehr ist erforderlich, dass diejenige Handlung, die einen Tatbestand (ganz oder teilweise) verwirklicht, zugleich - d.h. wenigstens in einzelnen der ihr zugehörigen Willensbetätigungen - einen anderen Tatbestand ganz oder teilweise erfüllt. Zur Abgr...