Leitsatz (amtlich)
Bei mehreren im unmittelbaren Anschluss vollstreckten Freiheitsstrafen ist die Zwei-Jahres-Zeitgrenze des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB nach der Höhe der einzelnen Strafe, nicht Gesamtdauer der Freiheitsstrafen zu bestimmen.
Werden mehrere Freiheitsstrafen unmittelbar nacheinander vollstreckt, kommt es für die Frage des Erstverbüßung i.S.d. § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht darauf an, ob der Strafvollzug auf nur einer Verurteilung beruht oder auf mehreren. Solange der Vollstreckungszusammenhang nicht unterbrochen wird, gilt der Verurteilte als Erstverbüßer für alle Strafen.
Normenkette
StGB § 57 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Gera (Entscheidung vom 19.05.2006; Aktenzeichen StVK 281/06) |
LG Gera (Entscheidung vom 19.05.2006; Aktenzeichen StVK 282/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Gera wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Verurteilte in dieser Sache am 24.07.2006 aus der Haft zu entlassen ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Gera - Strafvollstreckungskammer - die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Altenburg vom 22.04.2004 (Az.: 113 Js .../03) und dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Altenburg vom 16.06.2003 (Az.: 323 Js .../01) nach Verbüßung von zwei Dritteln bzw. der Hälfte der erkannten Strafen zum 13.06.2006 zur Bewährung ausgesetzt. Es hat eine Bewährungszeit von drei Jahren bestimmt, den Verurteilten der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfers unterstellt und ihn beauflagt, binnen sechs Monaten 100 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Ferner wurden ihm die Weisungen erteilt, unverzüglich nach der Haftentlassung festen Wohnsitz zu nehmen und sich polizeilich anzumelden und jede Änderung seiner Wohnanschrift sowie seiner Arbeitsstelle unverzüglich der Strafvollstreckungskammer und dem Bewährungshelfer mitzuteilen. Darüber hinaus wurde der Verurteilte von der Strafvollstreckungskammer angewiesen, binnen einer Woche nach seiner Haftentlassung Kontakt mit der für seinen Wohnsitz zuständigen Suchtberatungsstelle aufzunehmen, diese für die Dauer eines Jahres mindestens einmal im Monat zu Gesprächen aufzusuchen und dem Bewährungshelfer die Kontaktaufnahme mitzuteilen sowie ihm die Besuche durch die Vorlage geeigneter Nachweise jeweils zu belegen.
Durch Urteil des Amtsgerichts Altenburg vom 22.04.2004 (Az.: 113 Js .../03) war gegen den Verurteilte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten verhängt worden.
Durch den Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Altenburg vom 16.06.2003 (Az.: 323 Js .../01) war gegen den Verurteilten unter Einbeziehung von fünf Entscheidungen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt und zunächst für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt worden. Mit Beschluss vom 22.11.2004 wurde die Strafaussetzung zur Bewährung, u.a. auf Grund der erneuten Verurteilung vom 22.04.2004, jedoch widerrufen.
Zur Verbüßung der Strafen befindet sich der Verurteilte seit dem 29.01.2005 in Haft, derzeit in der JVA Hohenleuben. Die Vollstreckung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Altenburg vom 22.04.2004 wurde nach Ablauf von zwei Dritteln am 14.08.2005 unterbrochen. Ab dem 15.08.2005 wurde die Strafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgericht Altenburg vom 16.06.2003 vollstreckt. Die Hälfte dieser Strafe war am 13.06.2006 verbüßt. Das gemeinsame Strafende beider Verurteilungen errechnet sich auf den 24.07.2007.
Die Staatsanwaltschaft Gera hat gegen den ihr am 20.06.2006 zugestellten Beschluss am 22.06.2006 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie vertritt, gestützt auf die Entscheidung des Senats vom 14.09.1999 - 1 Ws 256/99 - die Auffassung, die Zwei-Jahresgrenze des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB bemesse sich nicht nach der Höhe der jeweils zu vollstreckenden Strafe, sondern nach der Summe aller unmittelbar zur Vollstreckung gelangten Freiheitsstrafen. Da bei dieser Betrachtungsweise die Höchstgrenze überschritten werde und keine besonderen Umstände i.S.v. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorlägen, sei eine Strafaussetzung zum Halbstrafenzeitpunkt rechtsfehlerhaft.
II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Die Strafvollstreckungskammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Strafreste zur Bewährung schon gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB vorliegen und es deshalb auf das Vorliegen besonderer Umstände nicht ankommt. Keine der zu verbüßenden Freiheitsstrafen übersteigt die Zwei-Jahres-Grenze; eine Addition der im Anschluss vollstreckten Freiheitsstrafen findet nicht statt. Soweit der Senat zu dieser Frage zuletzt eine andere Auffassung vertreten hat (Beschluss vom 14.09.1999 - 1 Ws 256/99), hält er hieran nicht mehr fest.
Die Frage, ob sich bei mehreren, im Anschluss vollstreckten Strafen...