Entscheidungsstichwort (Thema)

Erreichen der 2-Jahres-Grenze des § 68b Abs. 1 StGB bei einbezogenen Fahrlässigkeitstaten

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Einbeziehung von Einzelstrafen für Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten in die Gesamtstrafenbildung ist maßgebend, ob die für die Vorsatztaten hypothetisch zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe die Zweijahresfrist erreicht; dies gilt auch dann, wenn Einzelstrafen Vorsatztaten in Idealkonkurrenz mit Fahrlässigkeitstaten zugrunde liegen (vgl. OLG München NStZ 1984, 314, 315; KG Beschluss vom 27.09.2000, 1 AR 1102/00 5 Ws 648/00 bei juris; Schleswig Holsteinisches OLG SchlHA, 2000, 125; BT-Drucks 16/1993 S. 23).

 

Normenkette

StGB § 68f Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Entscheidung vom 22.09.2009; Aktenzeichen 4 StVK 801/06)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 22.09.2009 aufgehoben.

2. Die einfache Beschwerde des Verurteilten ist damit gegenstandslos.

3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.

 

Gründe

I. Am 24.02.2004 wurde der Beschwerdeführer wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 4 Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das Landgericht Erfurt mit Urteil vom 21.07.2004 das amtsgerichtliche Urteil im Strafausspruch insoweit ab, dass der Beschwerdeführer unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Arnstadt vom 28.04.2004 (Az.: 840 Js 7306/03 4 Ds) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt wurde. Die Strafvollstreckung aus diesem Urteil ist seit dem 02.10.2009 erledigt.

Mit Beschluss vom 22.09.2009 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen hinsichtlich des Verurteilten folgende Entscheidungen getroffen:

1. Mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug tritt aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Arnstadt vom 24.02.2004, Az.: 630 Js 17027/03 430 VRs, die gesetzliche Führungsaufsicht gemäß § 68f Abs. 1 StGB ein.

2. Die Dauer der Führungsaufsicht wird auf 5 Jahre festgesetzt.

3. Für die Dauer der Führungsaufsicht wird der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

4. Dem Verurteilten werden für die Dauer der Führungsaufsicht folgende Weisungen erteilt:

a) Er hat den Ilmkreis nicht ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle zu verlassen (§ 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB),

b) er hat sich mindestens einmal monatlich bei dem für ihn zuständigen Bewährungshelfer zu melden (§ 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB),

c) er hat jeden Wechsel der Wohnung und des Arbeitsplatzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden (§ 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB),

d) er hat sich im Falle der Erwerbslosigkeit bei der zuständigen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle um Arbeit zu bemühen und Nachweise hierüber beim Bewährungshelfer vorzulegen (§ 68b Abs. 1 Nr. 9 StGB).

5. Die mündliche Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht wird der JVA übertragen.

Gegen diesen ihm am 25.09.2009 zugestellten Beschluss legte der Verurteilte mit Schriftsatz vom 27.09.2009, eingegangen bei dem Landgericht Meiningen am 30.09.2009, "sofortige Beschwerde" ein, mit der er sich sowohl gegen die Anordnung der Führungsaufsicht als auch gegen die ausgesprochene Weisung unter Nr. 4a wendet. Das Landgericht Meiningen hat der einfachen Beschwerde des Verurteilten nicht abgeholfen.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 09.11.2009 das Rechtsmittel des Verurteilten als sofortige und als einfache Beschwerde ausgelegt und beantragt, beide als unbegründet zu verwerfen.

II. 1. Der Verurteilte wendet sich zunächst mit der sofortigen Beschwerde dagegen, dass die Strafvollstreckungskammer nicht angeordnet hat, dass die Maßregel der Führungsaufsicht entfällt (§ 68f Abs. 2 StGB). Insoweit ist nach § 463 Abs. 3 i.V.m. § 454 Abs. 3 StPO die sofortige Beschwerde gegeben.

Soweit der Verurteilte sich darüber hinaus gegen einzelne Auflagen wendet, ist gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 StPO die einfache Beschwerde zulässig.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg; die einfache Beschwerde ist damit gegenstandslos.

Nach § 68f Abs. 1 StGB ist Voraussetzung für den Eintritt der Führungsaufsicht, dass der Verurteilte wegen vorsätzlicher Straftaten eine Freiheitsstrafe oder eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren oder, was hier ausscheidet, wegen Straftaten der in § 181b StGB genannten Art eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr vollständig verbüßt hat.

Hier hat der Verurteilte eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, nach Widerruf der zunächst gewähr...

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