Leitsatz (amtlich)
Liegen Anhaltspunkte für einen Entschuldigungsgrund bezüglich des Ausbleibens des Angeklagten in der Hauptverhandlung vor, muss das Gericht prüfen, ob diese zutreffen. Ist danach ein hinreichender Entschuldigungsgrund wahrscheinlich, rechtfertigen verbleibende Zweifel den Erlass eines Verwerfungsurteils nicht.
Verfahrensgang
LG Gera (Entscheidung vom 05.02.2003; Aktenzeichen 550 Js 24942/01 - 7 Ns) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. Strafkammer des Landgerichts Gera vom 05.02.2003 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Gera zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Stadtroda verurteilte den Angeklagten am 26.03.2002 wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50,- EUR und entzog ihm die Fahrerlaubnis. Auf die Berufung des Angeklagten bestimmte die Vorsitzende der als Berufungsgericht zuständigen 7. Strafkammer des Landgerichts Gera nach mehrfacher, durch Krankheit des Angeklagten bedingter Verlegung Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 05.02.2003. Zu diesem Termin wurde der Angeklagte unter Belehrung über die Folgen nicht genügend entschuldigten Ausbleibens geladen. Die Ladung wurde am 14.01.2003 zugestellt.
Am 30.01.2003 fertigte die Geschäftsstelle der Berufungskammer des Landgerichts Gera einen Aktenvermerk über ein Telefongespräch mit einem Herrn H., Mitarbeiter des Sozialen Dienstes der Justiz/Gerichtshilfe in Halle, betreffend die Verhinderung des Angeklagten an der Teilnahme an der Hauptverhandlung. Der Aktenvermerk hat folgenden Inhalt:
"Herr H. teilt mit, dass Herr K. seit dem 09.01.2003 auf Grund eines Unfalls wegen eines Beckenbruchs im St. E.-Krankenhaus in Halle in stationärer Behandlung sei. Der Angeklagte habe sich telefonisch bei ihm gemeldet, da er in anderer Sache gemeinnützige Arbeitsstunden unter seiner Leitung ableistet. Auf den Anruf hin habe Herr H. den A. im Krankenhaus aufgesucht und sich von der Richtigkeit der Angaben überzeugt. Der Angekl. bittet um Terminsverlegung, da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder reisefähig sein wird. Eine entsprechende Bescheinigung/Attest soll per Fax nachgereicht werden."
In der Hauptverhandlung am 05.02.2003 erschien der Angeklagte nicht. Daraufhin verwarf das Landgericht die Berufung des Angeklagten durch Urteil gem. § 329 Abs. 1 StPO. In der Begründung des Urteils wird ausgeführt, dass der Angeklagte durch den Anruf des Herrn H. nicht genügend entschuldigt sei. Die Angabe, der Angeklagte läge seit dem 09.01.2003 wegen eines Beckenbruchs im Krankenhaus, habe die Kammer nicht verifizieren können, da bis zum heutigen Termin die seitens des Angeklagten angekündigte Übersendung geeigneter Unterlagen nicht erfolgt sei. Das vollständig abgefasste Urteil wurde dem Angeklagten am 12.02.2003 zugestellt.
Den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung des Termins zur Berufungshauptverhandlung am 05.02.2003 verwarf das Landgericht. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Mit Beschluss vom 01. September 2003 gewährte der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil der 7. Strafkammer des Landgerichts Gera vom 05.02.2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dieser Beschluss wurde dem Angeklagten am 10.09.2003 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 09.10.2003, der am selben Tag beim Landgericht Gera einging, begründete der Verteidiger des Angeklagten die Revision mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 22.12.2003 beantragt, das angefochtene Urteil des Landgerichts Gera aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Gera zurückzuverweisen.
II.
Die zulässige Revision hat einen vorläufigen Erfolg. Auf die ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht Gera zurückzuverweisen.
Die Berufungskammer des Landgerichts Gera hätte die Berufung des Angeklagten im Termin vom 05.02.2003 nicht gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verwerfen dürfen.
§ 329 Abs. 1 Satz 1 StPO bestimmt, dass das Gericht eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen hat, wenn bei Beginn einer Hauptverhandlung weder der Angeklagte noch in den Fällen, in denen dies zulässig ist, ein Vertreter des Angeklagten erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist.
Dabei kommt es nicht darauf an, dass sich der Angeklagte selbst genügend entschuldigt hat. Es genügt vielmehr, dass eine beim Vorhandensein von Anhaltspunkten von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass das Fernbleiben des Angeklagten genügend entschuldigt ist (BGHSt 17, 391, 396 ...