Verfahrensgang
LG Erfurt (Aktenzeichen 10 O 698/18) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2019 darauf hin, dass nach seiner vorläufigen Würdigung die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.
Gründe
I. 1. Die Klägerin steht kein Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG zu, da der von ihr geltend gemachte Schaden zwar auf einer Amtspflichtverletzung beruhen dürfte, gleichwohl nicht vom Schutzzweck des Justizgewährungsanspruchs umfasst ist.
a) Von einer Amtspflichtverletzung dürfte auszugehen sein.
In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof sich eingehend zu der Amtshaftung bei Verfahrensverzögerung in gerichtlichen Verfahren geäußert (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.2010 - III ZR 32/10 -, juris). Danach kann das Land als Anstellungskörperschaft grundsätzlich für ein etwaiges Fehlverhalten der mit der Bearbeitung und Entscheidung der Rechtsstreitigkeit befassten Berufsrichter nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG haften (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 10). Die im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits beteiligten Richter üben in Wahrnehmung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amts eine hoheitliche Tätigkeit aus. Die Haftung umfasst auch die verzögerte Sachbearbeitung durch die Gerichte. Dem Schutzbereich des Justizgewährungsanspruchs unterfallen auch Gemeinden, obwohl sie sich als juristische Person des öffentlichen Rechts (Art. 19 Abs. 3 GG) nicht unmittelbar auf Art. 19 Abs. 4 GG bzw. das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG berufen können. Zudem ergibt sich die Amtspflicht zur Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer bereits aus den einfachgesetzlichen Regelungen der Prozessordnungen (z.B. §§ 87, 128a VwGO), wobei § 198 GVG dabei eine besondere Bedeutung zukommt. Anders als das Landgericht meint, ist § 198 GVG über § 173 Satz 2 VwGO auch im Verwaltungsprozess anzuwenden. Die Pflicht zur Justizgewährung ist auch grundsätzlich drittschützend. Dies gilt auch im Fall einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, da diese in der hier zu beurteilenden Rechtsstreitigkeit vor den Verwaltungsgerichten dem Gericht wie ein Privater gegenübertritt (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 839 BGB Rn. 85).
Die Privilegierung des Richters durch § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB gilt zwar nicht bei einer pflichtwidrigen Verzögerung (§ 839 Abs. 2 Satz 2 BGB), jedoch ist die Garantie der richterlichen Unabhängigkeit bei der Beurteilung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 04.11.2010 - III ZR 32/10 - Rn. 12 ff., juris). Der Bundesgerichtshof hat dargelegt, dass die Verfahrensführung deswegen auch lediglich auf ihre Vertretbarkeit zu überprüfen sei (vgl. BGH a.a.O. Rn. 14). Die Darlegungs- und Beweislast für eine unangemessene Verzögerung trage der Kläger. Dafür reiche es nicht, sich auf den bloßen Zeitablauf zu berufen, sondern der Kläger müsse das konkrete pflichtwidrige Verhalten der mit der Sache befassten Richter oder bei deren Überlastung das Organisationsverschulden des Landes behaupten (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 17). Wenn ein Verfahren aber jahrelang unbearbeitet geblieben sei, könne regelmäßig von einer Amtspflichtverletzung ausgegangen werden (vgl. Schlick, WM 2016, S. 485 (486)).
Die Klägerin hat vorgetragen, dass in dem maßgeblichen Zeitraum lediglich Wiedervorlagen verfügt und zwischen Februar 2008 bis Ende 2013 keine verfahrensleitenden Handlungen vorgenommen worden seien (vgl. Bl. 12, 47). Dies genügt, um die objektive Pflichtverletzung schlüssig zu behaupten. Von dem Beklagten ist dieser Vortrag nur "einfach" bestritten worden (vgl. Bl. 27). Einfaches Bestreiten genügt in dieser Prozesslage aber nicht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 - III ZR 265/15 - Rn. 35, juris). Zudem wäre hier ggfs. an einen Beweis durch ersten Anschein zu denken.
Daher wäre hier von einem objektiv pflichtwidrigen Verhalten des zuständigen Spruchkörpers durch das Unterlassen von verfahrensfördernden Handlungen über einen nicht mehr hinnehmbaren Zeitraum auszugehen. Es liegen schlicht keine richterlichen Handlungen - bis auf Verfügungen zur Wiedervorlage - vor, die auf ihre Vertretbarkeit hin überprüft werden könnten.
c) Liegt eine objektive Amtspflichtverletzung vor, spricht regelmäßig der Anschein dafür, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 - III ZR 278/15 - Rn. 40 f., juris; Sprau, in: Palandt, BGB, 78. Aufl. 2019, § 839 BGB Rn. 85). Bei einem Richter wird die Entlastung nur gelingen, wenn er seine chronische Überlastung angezeigt hat (vgl. Schlick, WM 2016, S. 485 (486)). Hier mag der Beklagte darlegen, dass die zuständigen Richter tatsächlich überlastet waren. Dann wäre aber in einem zweiten Schritt vom Beklagten vorzutragen, dass auch kein Organisationsverschulden vorlag (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2007 - III ZR 302/05 - Rn. 18 ff., juris; BVerfG, Beschluss vom 22.08.2013 - 1 BvR 1067/12 - Rn. 40; Schlick, WM 2016, S. 485 (486)). Der Beklagte wäre allerdings nach § 139 Abs. 1 ZPO noch darauf h...