Verfahrensgang

LG Erfurt (Entscheidung vom 15.07.2003; Aktenzeichen StVK 120/03)

StA Meiningen (Aktenzeichen 7 Js 10605/96)

 

Tenor

  • 1.

    Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt vom 15.07.2003 und die Verfügung der Staatsanwaltschaft Meiningen vom 29.01.2003 werden aufgehoben.

  • 2.

    Die Sache wird zu erneuter Entscheidung an die Staatsanwaltschaft Meiningen zurückgegeben.

 

Gründe

Gegen den Verurteilten wird derzeit, bis zum 04.07.2004, der Rest einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 14.07.1997 - 7 Js .../96 - 1 Kls - vollstreckt; im Anschluss ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus dem Urteil des Landgerichts Meiningen vom 20.02.2002 - 454 Js .../01 - zu vollziehen, in dem gleichzeitig eine Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgesprochen worden war.

Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 22.01.2003 hat der Verurteilte im Hinblick auf seine Erkrankung an Hepatitis C und die damit im Zusammenhang stehende notwendige Interferonbehandlung, welche nicht wie zunächst vorgesehen im Maßregelvollzug Hildburghausen erfolgen konnte, die Unterbrechung der Strafvollstreckung beantragt.

Dieser Antrag wurde durch die Staatsanwaltschaft Meiningen mit Verfügung vom 29.01.2003 mit folgender Begründung verbeschieden:

"Eine Haftunterbrechung gemäß § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO wird abgelehnt. Der Rechtsbeistand des Verurteilten macht geltend, dass eine Erkrankung an Hepatitis C vorliegt, die in der Haftanstalt nicht behandelt werden könne. Dem ist entgegenzuhalten, dass möglicherweise bald im Landesfachkrankenhaus Hildburghausen eine Behandlung möglich werden wird. Man muss da nur etwas Hartnäckigkeit zeigen.

Eine Strafunterbrechung ist auch deshalb nicht möglich, weil Gründe der öffentlichen Sicherheit entgegenstehen. Der Verurteilte wurde mehrfach wegen Rauschgift-Verbrechen verurteilt. Zu seinem Leben gehört es, mit Rauschgift wie mit einem normalen Lebensmittel umzugehen. Wenn der Verurteilte in seinem jetzigen Zustand in Freiheit entlassen würde, wäre mit Sicherheit ein neuer strafbarer Umgang mit Rauschgift zu erwarten.

Soweit angegeben wird, eine Behandlung mit Interferon könne dem Verurteilten helfen, fehlt im Übrigen seine Erklärung, mit einer solchen Behandlung ggf. einverstanden zu sein. Der Anstaltsarzt T. hat angegeben, eine Interferon-Behandlung sei mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden."

Gegen diese staatsanwaltschaftliche Verfügung erhob der Verurteilte Einwendungen mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15.07.2003 wies die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt die Einwendungen als unbegründet zurück. Die Strafvollstreckungskammer hat in Vorbereitung der Beschlussfassung ergänzende Stellungnahmen, u.a. des Anstaltsarztes der JVA Tonna und des Fachkrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie Hildburghausen beigezogen und in vollem Umfang eine eigenständige Sachprüfung vorgenommen. Im Einzelnen wird auf die Gründe dieser Entscheidung verwiesen.

Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der landgerichtlichen und der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung. Über den Antrag des Verurteilten ist erneut zu befinden.

Nach § 455 Abs. 4 StPO kann die Strafvollstreckungsbehörde die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrechen, wenn eine der in Ziff. 1-3 genannten Voraussetzungen gegeben ist.

Die von der Staatsanwaltschaft zu treffende Entscheidung beruht auf Ermessen; die gerichtliche Entscheidung, die auf Einwendungen nach § 458 Abs. 2 StPO zu treffen ist, beinhaltet nur die Überprüfung, ob die Strafvollstreckungsbehörde ermessensfehlerfrei entschieden hat (vgl. KG, Beschluss vom 27.04.2001, 5 Ws 232/01 bei Juris; KK-Fischer, StPO, 5. Aufl., § 456 Rn. 10, § 455 Rn. 10). Die Strafvollstreckungskammer ist bei dieser Prüfung nicht befugt, ihr Ermessen an die Stelle desjenigen der Vollstreckungsbehörde zu setzen.

Die Ermessensüberprüfung setzt jedoch voraus, dass tatsächlich die Vollstreckungsbehörde eine nachprüfbare Ermessensentscheidung getroffen hat. Eine solch nachprüfbare Ermessensentscheidung stellt die Verfügung der Staatsanwaltschaft Meiningen vom 29.01.2003 jedoch nicht dar. Inwieweit die Krankheit des Verurteilten, die ersichtlich unstreitig ist, jedoch nicht einmal bestimmt angenommen wird, die Kriterien nach § 455 Abs. 4 Nr. 3 StPO erfüllt, wird nicht dargelegt. So wird nichts ausgeführt über die Schwere der Erkrankung, die Dauer und die Art und Weise einer erforderlichen Behandlung, die Möglichkeit der Behandlung in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus sowie über die Erwartung des Fortbestands der Erkrankung für eine erhebliche Zeit. Die Grundlagen für die Entscheidung hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen des § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 StPO werden in keiner Weise deutlich. Zwar fordert das Gesetz für die Entschei...

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