Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweissicherung in Arzthaftungsfällen
Leitsatz (amtlich)
In Arzthaftungssachen können Fragen, die die Verletzung des ärztlichen Standards betreffen, nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Das bedeutet, dass das Beweissicherungsverfahren für die Klärung solcher Fragen ungeeignet ist. Das Beweissicherungsverfahren ist in diesem Bereich der Verletzung einer Person (Gesundheitsschaden) darauf beschränkt, die Ursache des Personenschadens und den Aufwand für dessen Beseitigung festzustellen.
Soweit die Ursache des Personenschadens allein in einem (schuldhaften) Behandlungsfehler liegt, können die hierfür maßgeblichen Gründe der haftungsbegründenden Kausalität daher nicht im Beweissicherungsverfahren geklärt werden.
Normenkette
ZPO § 485 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Beschluss vom 06.12.2011; Aktenzeichen 1 OH 23/11) |
Tenor
Die (sofortige) Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert beträgt 5.000 EUR.
Hinsichtlich des Antrags nach § 36 ZPO ist der Senat nicht zuständig.
Der Antragsteller erhält Gelegenheit zur Stellungnahme/Rücknahme bis zum 8.2.2012.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 10.8.2011 beantragte der Antragsteller die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens wegen möglicher fehlerhafter Behandlung - im Wesentlichen geht es um die Belassung von Metallartefakten im Körper des Antragstellers - bei den Antragsgegnerinnen. Wegen der Einzelheiten der Beweisfragen wird auf den Antragsschriftsatz Bezug genommen.
Nach Anhörung beider Antragsgegnerinnen erließ das LG Mühlhausen zunächst unter dem 13.10.2011 einen Beweisbeschluss auf der Grundlage des Antragsschriftsatzes. Nach Zuständigkeitsrüge der Antragsgegnerin zu 2) und erneutem Zurückweisungsantrag, in dem die Antragsgegnerin zu 2) auch die Unzulässigkeit einzelner Beweisfragen, u.a. die Frage nach Verletzung des medizinischen Standards, im Beweissicherungsverfahren bemängelte, änderte das LG mit Beschluss vom 6.12.2011 den Beweisbeschluss vom 13.10.2011 teilweise ab und erklärte die Beweisfragen zu I 3. und I 4. für unzulässig, im Wesentlichen mit der Begründung der Unzuständigkeit des angerufenen LG; für die Antragsgegnerin zu 2) sei Mühlhausen nicht zuständig. Weder habe der Antragstellereinen Antrag nach § 36 ZPO gestellt, noch Abtrennung des Verfahrens gegen die Antragsgegnerin zu 2) nach § 145 ZPO beantragt.
Gegen den am 13.12.2011 zugestellten Änderungsbeschluss erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.12.2011 - Eingang beim Ausgangsgericht am 27.12.2011 - Beschwerde. Gleichzeitig stellte er den Antrag nach § 36 ZPO.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 567, 569 ZPO); sie bleibt in der Sache aber erfolglos. Im Ergebnis ist die Abänderung des Beweisbeschlusses nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der Beweisfrage zu I. 3
"Hätte frühzeitig - und ggf. zu welchem Zeitpunkt - eine Entfernung des Metallstückes aus dem Körper des Antragstellers angeordnet werden müssen"
handelt es sich um eine Beweisfrage, die die Frage nach einer Verletzung des ärztlichen Standards impliziert. Nach der Rechtsprechung des Senats kann im Bereich der Arzthaftung eine solche Frage nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden; das Beweissicherungsverfahren ist in diesem Bereich der Verletzung einer Person (Gesundheitsschaden) darauf beschränkt, den Zustand der Person (des Patienten), die Ursache des Personenschadens und den Aufwand für dessen Beseitigung festzustellen (s. Wortlaut des § 285 Abs. 2 ZPO; so auch mehrere Obergerichte, u.a. OLG Köln, Beschl. v. 28.10.2010 - 5 W 31/10, Beck RS 2010, 29880; OLG Saarbrücken GesR 2011, 422; KG GesR 2011, 421 unter Verweis auf BGH NJW 2003, 1741; s. ferner die Verweise in Zöller/Herget, ZPO-Komm., 28. Aufl., § 285 Rz. 9).
Soweit die Ursache des Personenschadens allein in einem (schuldhaften) Behandlungsfehler liegt, können die hierfür maßgeblichen Gründe der haftungsbegründenden Kausalität nach Auffassung des Senats nicht im Beweissicherungsverfahren geklärt werden. In den Gründen, die dem Beschluss des BGH v. 21.1.2003 zugrunde liegen, wird dazu ausgeführt, dass die vor- und außergerichtliche Beweisaufnahme (nur) dann zweckmäßig sei, wenn der Streit der Parteien nur von der Entscheidung tatsächlicher Fragen abhänge. Der BGH stellt dann weiter fest, dass damit nicht die rechtlichen Fragen des Verschuldens des Arztes und der Kausalität der Verletzung für den geltend gemachten Schaden zu klären sind.
Das entspricht auch der ratio und dem Wortlaut des § 485 Abs. 2 ZPO. Danach handelt es sich bei dem Verfahren auf Beweissicherung um ein objektives Verfahren, das sich nicht auf Wertungen zum Vorliegen eines Behandlungsfehlers und des Verschuldens erstrecken sollte (so die ganz h.M. heute; s. dazu Zöller/Herget, ZPO-Komm., 28. Aufl., a.a.O., Rz. 9 zu § 285 m. w. zahlreichen Nw.).
Hinsichtlich der weiter ausgeschlossenen Frage zu I 4. folgt der Senat dem LG. Vertrags...