Normenkette
BGB §§ 133, 2084, 2269 Abs. 1, § 2270
Verfahrensgang
AG Nordhausen (Beschluss vom 30.09.2014; Aktenzeichen VI 443/14) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG - Nachlassgerichts - Nordhausen vom 30.09.2014, Az.: VI 443/14, aufgehoben.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, auf den Antrag der Beteiligten zu 1) vom 02.06.2014 einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, welcher die Beteiligten zu 1), 3) und 4) als testamentarische Erben des Erblassers zu je 1/3 ausweist.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert wird auf 12.000 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der im April 2014 im Alter von 80 Jahren verstorbene Erblasser war verheiratet. Seine drei Jahre jüngere Ehefrau ist im Juli 2011 vorverstorben. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen; die Töchter G. M. und K. J. sowie die Söhne P. J., H. J. und F. J.. Das älteste Kind der Eheleute J. der Sohn P. ist nur wenige Monate nach seiner Mutter im November 2011 verstorben. Die Beteiligte zu 2) ist dessen Tochter.
Mit handschriftlichem Testament vom 1.12.1993 (Bl. 5 d.A.) verfügten die Eheleute J. wie folgt:
"Hiermit setzen wir uns beide beim Tode eines Ehepartners gegenseitig zum Alleinerben ein.
Im Falle unseres gemeinsamen Todes sollen unsere Kinder unsere Erben sein
H. J.
H. J.
G. M., geb. J.
F. J.
K. H., geb. J."
Nach dem Tod seiner Ehefrau errichtete der Erblasser am 7.11.2012 ein handschriftlichtes Testament mit folgendem Inhalt (Bl. 5a d.A.):
"Meine Ehefrau E. J. ist am 25.07.2011 verstorben.
Hiermit widerrufe ich alle ggf. bestehenden Verfügungen und setzte als meine Erben meine Kinder
G. M., geb. J.
F. J.
K. H., geb. J.
zu je 1/3 ein.
Sollte einer der Erben vorversterben so sollen deren Kinder Erben sein.
Sowohl die Tochter meines vorverstorbenen Sohnes P. J. Frau C. J. als auch mein Sohn U. J. sollen keine Erben werden".
Aufgrund notarieller Erbscheinsverhandlung vom 2.6.2014 (Bl. 16 ff. d.A.) hat die Beteiligte zu 1) - die Tochter G. M.- einen sie selbst, ihre Schwester K. J.-H. - die Beteiligte zu 4) - und ihren Bruder F. J. - den Beteiligten zu 3) - als gemeinschaftliche Erben zu je 1/3 ausweisenden Erbschein beantragt. Sie ist der Ansicht, die Erbeneinsetzung aller fünf Kinder sei von den gemeinsam testierenden Eheleuten nur für den - nicht eingetretenen - Fall erfolgt, dass beide gleichzeitig oder kurz hintereinander versterben sollten. Keinesfalls könne dem Passus zur Erbfolge der Kinder eine wechselbezügliche Bindung des längerlebenden Ehegatten für den Fall beigemessen werden, dass zwischen dem Tod der beiden Ehegatten eine längere Zeit liege.
Mit Beschluss vom 30.9.2014 (Bl. 35 ff. d.A.), der Beteiligten zu 1) zugestellt am 1.10.2014, hat das Nachlassgericht deren Erbscheinsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Erblasser sei an die wechselbezügliche Schlusserbeneinseinsetzung des Ehegattentestaments gebunden gewesen.
Hiergegen richtet sich die am 28.10.2014 eingelegte Beschwerde, mit die Beteiligte zu 1) an ihrer Auffassung einer in dem Ehegattentestament nicht enthaltenen wechselbezüglichen Schlusserbeneinsetzung festhält (Bl. 42 ff. d.A.).
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29.10.2014 (Bl. 46 ff. d.A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Thüringer OLG vorgelegt.
II. Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 63, 64 FamFG) hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Anweisung des Nachlassgerichts, einen Erbschein zu erteilen, welcher die Beteiligten zu 1), 3) und 4) auf der Grundlage des Testaments vom 7.11.2012 als Erben zu je 1/3 nach ihrem Vater ausweist.
Das Nachlassgericht hat das gemeinschaftliche Testament der Eheleute J. vom 1.12.1993 zu Unrecht dahin ausgelegt, dass es eine wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung nach §§ 2269 Abs. 1, 2270 BGB zu Gunsten aller fünf Kinder verfügt. Vielmehr ist die für den Fall "unseres gemeinsamen Todes" getroffene Bestimmung zur gemeinschaftlichen Erbfolge der Kinder dahin zu verstehen, dass sie nur für den Fall verfügt ist, dass die Eheleute entweder zusammen, d.h. zeitgleich oder in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang versterben, dass dem kurzzeitig überlebenden Ehegatten praktisch keine Möglichkeit mehr bleibt, ein Testament zu errichten. Weil es deshalb bereits an einer Schlusserbeneinsetzung in dem Testament fehlt, sondern dieses nur die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten bzw. für den tatsächlich nicht eingetreten Fall des gemeinsamen Versterbens die Erbeinsetzung der fünf Kinder verfügt, konnte der Erblasser 5 Monate nach dem Tod der von ihm allein beerbten Ehefrau über den in seiner Person vereinigten Ehegattennachlass frei verfügen. Die von ihm am 7.11.2012 getroffene Einsetzung nur der Beteiligten zu 1), 3) und 4) als Erben ist somit wirksam.
Das Nachlassgericht ist bei seiner ...