Leitsatz (amtlich)
Welche Kriterien und Methoden die Vollzugsbehörde im Einzelnen anlegt bzw. anwendet, um den der Übersichtlichkeit des Haftraums des Untersuchungsgefangenen dienenden "angemessenen Umfang" (§ 16 ThürUVollzG) seiner Ausstattung konkret zu bestimmen, obliegt grundsätzlich ihrem Ermessen und kann von den Gerichten lediglich auf Ermessensfehler überprüft werden. Dabei ist es grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Justizvollzugsanstalt ein standardisiertes System wie das REFA-System zur Bemessung der Angemessenheit der Haftraumausstattung im Untersuchungshaftvollzug anwendet.
Dies entbindet jedoch nicht von der Überprüfung des Ergebnisses mit Rücksicht auf eine etwaige besondere Interessenlage des Gefangenen (z.B. umfangreiches Aktenmaterial zur Vorbereitung auf die Hauptverhandlung).
Normenkette
StPO § 119a Abs. 1 S. 1, § 304 Abs. 1; ThürUVollzG §§ 16, 44 Abs. 1, § 65 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Gera (Entscheidung vom 29.06.2010; Aktenzeichen 801 Js 13986/08 2 KLs jug) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I. Der Angeklagte befindet sich seit dem 17.09.2008 in Untersuchungshaft. Er ist am 02.06.2010 durch - noch nicht rechtskräftiges - Urteil der 2. Strafkammer des Landgerichts Gera wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt worden.
Am 25.05.2010 wurde im Rahmen einer Haftraumkontrolle festgestellt, dass die Gesamtpunktzahl für die im Haftraum des Angeklagten befindlichen Gegenstände von 3.200 die erlaubte Gesamtpunktzahl von 2.400 nach dem REFA-System überschritt, worauf es in der Folgezeit zu einer erzwungenen Reduzierung der Gegenstände im Haftraum des Angeklagten kam.
Mit Datum vom 31.05.2010 hat der Angeklagte beim Landgericht Gera beantragt, ihn vom REFA-System zu befreien, hilfsweise die ihm danach erlaubte Gesamtpunktzahl zu erhöhen. Zu diesem Antrag hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt T mit Datum vom 15.06.2010 Stellung genommen und unter anderem mitgeteilt, dass er dem Angeklagten - was unstreitig ist - auf seinen Antrag hin bereits eine Erhöhung der Gesamtpunktzahl auf 2.650 bewilligt und ihm eine Weitere bei Darlegung von Gründen in Aussicht gestellt habe. Hierauf hat der Angeklagte mit an das Landgericht Gera gerichtetem Schreiben vom 27.06.2010 sinngemäß vorgetragen, das für den Strafvollzug entwickelte REFA-System dürfe überhaupt nicht auf Untersuchungsgefangene angewendet werden. Insbesondere sei es unzulässig, die von Untersuchungsgefangenen zur Vorbereitung ihrer Verteidigung benötigten Akten und sonstigen Unterlagen nach dem REFA-System zu bepunkten. Dessen Anwendung in der Justizvollzugsanstalt T benachteilige im Übrigen die dortigen Gefangenen, da es in anderen Thüringer Justizvollzugsanstalten nicht angewendet werde.
Mit Beschluss vom 29.06.2010 hat der Vorsitzende der 2. Strafkammer des Landgerichts Gera den Antrag des Angeklagten auf Befreiung vom REFA-System abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Zweck des REFA-Systems, aus Sicherheitsgründen die Übersichtlichkeit des Haftraums zu gewährleisten, gelte auch für Untersuchungsgefangene. Soweit der Angeklagte zur Vorbereitung auf ein gegen ihn anhängiges weiteres Strafverfahren Akten und Schriftstücke in seiner Zelle benötige, sei dem durch die vorgenommene Erhöhung der erlaubten Gesamtpunktzahl Rechnung getragen worden.
Hiergegen hat der Angeklagte mit am 12.07.2010 beim Landgericht Gera eingegangenem Schreiben Beschwerde eingelegt. Er hat vorgetragen, die bewilligte Erhöhung um 250 Punkte sei unzureichend, da die von ihm benötigten Akten und Unterlagen schon mit 870 REFA-Punkten zu bewerten seien. Im Übrigen sei er gegenüber anderen Gefangenen benachteiligt, die "2.400 Punkte für Annehmlichkeiten ihrer Wahl" zur Verfügung hätten.
Mit Verfügung vom 12.07.2010 hat der Vorsitzende der 2. Strafkammer des Landgerichts Gera der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Mit Stellungnahme vom 22.07.2010 hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft die Verwerfung der Beschwerde beantragt.
II. 1. Die Beschwerde des Angeklagten ist zulässig.
a) Nach § 119a Abs. 1 Satz 1 StPO kann gegen eine behördliche Entscheidung oder Maßnahme im Untersuchungshaftvollzug gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dieser Regelung ist nach Übertragung der Gesetzgebungszuständigkeit für den Untersuchungshaftvollzug auf die Länder, von der der Freistaat Thüringen durch Erlass des am 01.01.2010 in Kraft getretenen Thüringer Untersuchungshaftvollzugsgesetzes - ThürUVollzG - vom 08.07.2009 (GVBl. S. 553) Gebrauch gemacht hat, ein Rechtsweg gegen Entscheidungen und Maßnahmen geschaffen worden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt - in der Regel von dieser selbst - getroffen werden. Dabei ist der bisherige Rechtsweg zu den Oberlandesgerichten nach §§ 23 Abs....