Verfahrensgang
LG Gera (Entscheidung vom 17.01.2003; Aktenzeichen StVK 610/00) |
LG Gera (Entscheidung vom 12.04.2000; Aktenzeichen 510 Js 41473/99 - 5 KLs) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichtes Gera vom 17.01.2003 wird aufgehoben.
Die Kosten der sofortigen Beschwerde und die notwendigen Auslagen des Verurteilten werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Das Landgericht Gera verurteilte den Beschwerdeführer am 12.04.2000 im Verfahren 510 Js 41473/99 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beilhilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren. Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes Gera vom 14.02.2001 wurde die Vollstreckung des Restes dieser Freiheitsstrafe nach Verbüßung von 2/3 der Strafe am 28.02.2001 ausgesetzt, die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgelegt und der Verurteilte für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Die Bewährungszeit endet voraussichtlich am 29.02.2004.
Unter dem 17.04.2002 erhob die Staatsanwaltschaft Gera im Verfahren 560 Js 12936/02 Anklage gegen den Beschwerdeführer zum Amtsgericht Gera wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Die zu Grunde liegende Tat soll am 08.03.2002 verübt worden sein. Das Amtsgericht Gera ließ die Anklage mit Beschluss vom 12.11.2002 zur Hauptverhandlung zu, eröffnete das Hauptverfahren und bestimmte Termin zur Hauptverhandlung auf den 20.01.2003. Nach Auskunft des Amtsgerichtes Gera wurde dieser Termin wegen Erkrankung der Richterin auf den 15.05.2003 verlegt.
Am 17.01.2003 hörte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes Gera den Verurteilte zur Vorbereitung der Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung mündlich an.
Bei dieser Anhörung räumte der Verurteilte ein, am 08.03.2002 ein Kleinkraftrad seines Bekannten, J. Seh., geführt zu haben. Dabei sei ihm jedoch nicht bekannt gewesen, dass seine Fahrerlaubnis für Pkw das Führen dieses Kleinkraftrades nicht gestattete. Ferner räumte der Verurteilte ein, dass gegen ihn unter dem Aktenzeichen 540 Js 35034/02 ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Gera wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geführt werde. In diesem Verfahren habe am 14.01.2003 eine Hausdurchsuchung stattgefunden, bei der u.a. "etwa 1 g Haschisch", das zum Eigenkonsum bestimmt gewesen sei, aufgefunden worden sei. Eine mündliche Anfrage des Senats bei der Zweigstelle Jena der Staatsanwaltschaft Gera ergab, dass in jenem Verfahren die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
Nach Abschluss der Anhörung verkündete die Strafvollstreckungskammer in Anwesenheit des Verurteilten einen Beschluss des Inhaltes, dass dem Verurteilten die durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 14.02.2001 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung für den Rest der durch Urteil des Landgerichtes Gera vom 12.04.2000 erkannten Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren widerrufen wird.
Der Verurteilte legte gegen diesen Beschluss durch seinen Verteidiger am 22.01.2003 Beschwerde ein und begründet diese.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 17.03.2003, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Die gem. § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthafte, frist- und formgerecht eingelegte (§ 311 Abs. 2, § 306 Abs. 1 StPO) sofortige Beschwerde ist begründet. Ein Widerruf der Strafaussetzung gem. § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB ist zumindest derzeit nicht gerechtfertigt.
Nach § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zu Grunde lag, sich nicht erfüllt hat, und weitere Auflagen oder Weisungen oder die Verlängerung der Bewährungs- oder Unterstellungszeit nicht ausreichen. Ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, kann gegenwärtig noch nicht beurteilt werden.
In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Senates und der wohl herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichtes Gera davon ausgegangen, dass ein Widerruf wegen einer in der Bewährungszeit begangenen Straftat nicht voraussetze, dass wegen dieser Straftat bereits eine Verurteilung erfolgt sei, oder gar, dass eine erfolgte Verurteilung bereits rechtskräftig geworden sei. Ausreichend aber auch erforderlich sei die Überzeugung des mit der Frage des Widerrufs befassten Gerichtes davon, dass der Verurteilte die neue Tat begangen habe. An dieser Rechtsprechung kann im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 03.10.2002 (Beschwerde Nr. 37568/97), abgedruckt in StV 2003, 82 ff., jedoch nicht festgehalten werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in diesem Urteil darüber zu befinden, ob der Widerruf der Strafaussetzung gem. § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, der auf die Überzeugung des den Widerruf aussprechenden Gerichts von der Begehung der neue...