Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlaggebendes Kriterium ist das Wohl des Kindes, das nach der gesetzgeberischen Intention durch eine erleichterte Feststellung der Abstammung gefördert werden soll
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verfahren nach § 49 Abs. 1 PStG schließt das Rechtsschutzbedürfnis nicht aus, wenn dieses im Hinblick auf die streitige Beurteilung der Rechtslage nicht als hinreichend sicher und wegen etwaiger Rechtsmittel (§ 49 PStG) auch nicht zeitnah zu erreichen ist.
2. Artikel 19 Absatz 1 EGBGB enthält drei verschiedene potentielle Anknüpfungsmomente. Streitig ist, in welchem Verhältnis die verschiedenen Anknüpfungen, nämlich Aufenthaltsprinzip, Staatsangehörigkeit und Ehewirkungsstatut, zueinander stehen.
3. In den Fällen, in denen das Kind nach der Ehescheidung geboren wird, und nach ausländischem Recht noch der frühere Ehemann als Vater angesehen wird, weil das Kind innerhalb von 300 Tagen nach Auflösung der Ehe geboren wird, sperrt die bereits bestehende Vaterschaft eine weitere Vaterschaft, die sich durch ein späteres postnatales Vaterschaftsanerkenntnis ergeben kann.
Normenkette
PStG § 44 Abs. 1, § 49 Abs. 1; FamFG § 100 Nr. 2; EGBGB § 19 Abs. 1; FamG Föd Art. 54 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Sonneberg (Beschluss vom 18.08.2016; Aktenzeichen 3 F 135/16) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 18.08.2016 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Sonneberg vom 13.7.2016, zugestellt am 18.7.2016, Az. 3 F 135/16, Nichtabhilfeentscheidung vom 12.9.2016, aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG - Familiengericht - Sonneberg zurückverwiesen.
2. Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe nicht veranlasst.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Kindesmutter begründeten am 22.12.2012 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, nachdem die Kindesmutter beim Antragsteller eingezogen war.
Der Antragsteller ist serbischer und die Kindesmutter ist bosnische Staatsangehörige. Der Antragsteller hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Kindesmutter reiste am 22.12.2012 nach Deutschland ein; sie war zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger vom Antragsteller. Am 05.3.2013 gebar die Kindesmutter das Kind L. K..
Die Kindesmutter ist von ihrem Ehemann durch Urteil des AG Z. vom 28.12.2012, Az. 43 O P 078391 12 P, rechtskräftig seit dem 28.1.2013 geschieden worden. Der geschiedene Ehemann der Kindesmutter wohnt und lebt in B..
Der Antragsteller hat am 12.3.2013 vor dem Kreisjugendamt Sonneberg die Vaterschaft für das Kind L. K., geboren am 05.3.2013, anerkannt (Urkunden-Register-Nummer: 119/2013). Die Kindesmutter hat dem Anerkenntnis zugestimmt. Der Antragsteller und die Kindesmutter haben am 12.3.2013 eine Sorgeerklärung vor dem Kreisjugendamt Sonneberg für L. abgegeben (Urkunden-Register-Nummer: 120/2013).
Dem Jugendamt liegt eine notarielle Erklärung des geschiedenen Ehemannes der Kindesmutter vom 06.5.2013 vor. Darin heißt es:
"Die Ehegemeinschaft besteht nicht mehr seit dem 02.6.2012, da ich seit dem mit ihr keine sexuellen Beziehungen mehr hatte.
Wenn das nicht eheliche Kund nach dem 02.6.2012 gezeugt wurde, ist es damit ganz bestimmt nicht meine Kind. Wurde das Kind vor dem Aufhören unserer Beziehung gezeugt, kann die Vaterschaft nur aufgrund einer DNA - Analyse festgestellt werden".
In der Geburtsurkunde vom 22.7.2014 ist der geschiedene Ehemann der Kindesmutter Herr Z. K. als Vater des Kindes eingetragen (Bl. 13 d.A.).
Der Antragsteller hat ein Privatgutachten bei der JenaGen in Auftrag gegeben, das am 16.02.2016 zu dem Ergebnis kommt, dass die Vaterschaftswahrscheinlichkeit 99,999999 % beträgt. Damit gilt die Vaterschaft des Antragstellers als praktisch erwiesen (Bl. 8 - 11d A).
Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren am 16.1.2017 eine eidesstattliche Versicherung gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB abgegeben.
Der Antragsteller hat vorgetragen, er sei der leibliche Vater des Kindes L. K..
Die Vaterschaft des Antragstellers sei gerichtlich festzustellen, weil die Vaterschaft des geschiedenen Ehemannes der Kindesmutter nach § 1592 Nr. 1 BGB aufzuheben sei (§ 1600d BGB).
Das AG hat dem Antragsteller mit Beschluss vom 13.7.2016 Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts verweigert und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der Feststellungssperre des § 1600d Abs. 1 BGB könne eine anderweitige Vaterschaft nicht gerichtlich festgestellt werden, wenn und so lange bereits Vaterschaft eines bestimmten Mannes aufgrund ehelicher Geburt (§§ 1592 Nr. 1, 1593 BGB) bestehe. Die Erhebung eines Feststellungantrages sei erst dann möglich, wenn die bestehende Vaterschaft nach durchgeführtem Anfechtungsverfahren durch rechtskräftigen Gestaltungsbeschluss weggefallen sei, § 1599 Abs. 1 BGB,
An der mangelnden Erfolgsaussicht des ursprünglichen Antrages vom 22.04.2016 ändere auch der Antrag im Schriftsatz vom 22.4.2016 nichts, da insoweit die Anfechtungsfrist des § 1600b BGB verstrichen sei.
Der Antragstell...