Entscheidungsstichwort (Thema)
versuchte Nötigung. Bestellung eines Pflichtverteidigers
Verfahrensgang
LG Gera (Beschluss vom 12.09.2005; Aktenzeichen 260 Js 23835/04 - 3 Ns) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Tatbestand
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts Gera vom 12.01.2005 (Az.: 260 Js …/04 – 14 Ds) wurde der Angeklagte wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht Gera durch Urteil vom 23.06.2005 (Az.: 260 Js …/04 – 3 Ns).
Gegen diese Entscheidung legte der Pflichtverteidiger des Angeklagten – die Beiordnung erfolgte durch Beschluss der Landgerichts vom 20.06.2005 – Revision ein.
Mit Schriftsätzen vom 29.08.2005 zeigte sich Rechtsanwältin Z. als Wahlverteidigerin gegenüber dem Landgericht Gera an, begründete die bereits eingelegte Revision gegen das Urteil vom 23.06.2005 und beantragte, den bisherigen Pflichtverteidiger zu entbinden und selbst dem Angeklagten für das weitere Verfahren als Pflichtverteidigerin beigeordnet zu werden.
Durch den Beschluss vom 12.09.2005 wies das Landgericht Gera den Entbindungs- und Beiordnungsantrag als unbegründet zurück.
Hiergegen legte der Angeklagte mit Schriftsatz seiner Wahlverteidigerin vom 20.09.2005 Beschwerde ein.
Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 23.11.2005 Beschwerdeverwerfung beantragt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde des Angeklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Eine Bestellung von Rechtsanwältin Z. zur Pflichtverteidigerin neben oder anstelle des bisherigen Pflichtverteidigers ist nicht geboten. Für den Angeklagten war bereits in zweiter Instanz ein Pflichtverteidiger bestellt worden. Diese Bestellung wirkt, da sie nicht mit Einschränkungen versehen worden war, für das gesamte Verfahren (ausgenommen eine etwaige Revisionshauptverhandlung; siehe KK-Laufhütte, StPO, 5. Aufl., § 141 Rn. 10).
Die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers neben Rechtsanwalt R. ist nicht veranlasst. Die Beiordnung von mehr als einem Pflichtverteidiger ist nur gerechtfertigt, wenn aufgrund des Umfanges und der Schwierigkeit des Verfahrens ein unabwendbares Bedürfnis besteht, um eine ausreichende Verteidigung zu gewährleisten (KK-Laufhütte, a.a.O., § 141 Rn. 9 m.w.N.). Davon kann hier keine Rede sein.
Die Beiordnung von Rechtsanwältin Z. ist ferner nicht deshalb erforderlich, weil die Beiordnung des bisherigen Pflichtverteidigers zurückzunehmen oder zu widerrufen wäre.
Gemäß § 143 StPO wird die Bestellung eines Pflichtverteidigers zurückgenommen, wenn demnächst ein anderer Verteidiger gewählt wird und dieser die Wahl annimmt. Die Rücknahme der Bestellung kommt jedoch nicht in Betracht, wenn der neue Wahlverteidiger alsbald niederlegen und selbst die Beiordnung beantragen will (KK-Laufhütte, a.a.O., § 143 Rn. 3).
Rechtsanwältin Z. hat sich zwar als Wahlverteidigerin gemeldet, sogleich aber ihre eigene Beiordnung beantragt, weil der Angeklagte offenbar nicht in der Lage ist, das Honorar eines Wahlverteidigers zu bezahlen. Damit würde aber nur Rechtsanwalt R. aus dem Amt gedrängt.
Der Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund ist gesetzlich nicht vorgesehen, jedoch nach ganz herrschender Meinung zulässig, wenn Umstände vorliegen, die dem Zweck der Pflichtverteidigerbestellung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden (Meyer-Goßner, 48. Aufl., StPO, § 143 Rn. 3 m.w.N.).
Grund für eine Entpflichtung können dabei zum einen grobe Pflichtverletzungen des beigeordneten Verteidigers sein. Ein solcher Fall liegt jedoch nur dann vor, wenn klar erkennbar ist, dass der Pflichtverteidiger unfähig ist, den Angeklagten sachgemäß zu verteidigen oder dessen Verteidigung ernsthaft verweigert. Es ist nicht ausreichend, wenn lediglich die Art und Weise der Durchführung der Verteidigung beanstandet wird (Meyer-Goßner, a.a.O., § 143 Rn. 4 m.w.N.).
Derartige Pflichtverletzungen des bestellten Verteidigers werden nicht behauptet und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Eine Beiordnung ist zum anderen dann aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Verteidiger gestört ist (Meyer-Goßner, a.a.O., § 143 Rn. 5 m.w.N.). Die ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und dem bisherigen Verteidiger muss der Angeklagte oder der Verteidiger substantiiert darlegen (BGH NStZ 1995, 296). Sodann ist vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus zu beurteilen, ob das Vertrauensverhältnis gestört ist (Senatsbeschluss vom 28.11.2005, Az.: 1 Ws 438/05).
Ungenügend war daher die nicht näher ausgeführte, bloß pauschale Behauptung einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses; eine solche ist auch sonst nicht deutlich geworden.
Ob an die Zulässigkeit eines Widerrufs der Bestellung des bisherigen Pflichtverteidigers geringere Anforderungen...