Gründe
Zur Notwendigkeit der Begründung des zusammen mit dem Urteil verkündeten Haftfortdauerbeschlusses bei von der Anklage abweichender Verurteilung: Die angefochtene Entscheidung vom 28.08.2008 genügt - auch unter Berücksichtigung der Nichtabhilfeentscheidung vom 09.09.2008 - nicht den Anforderungen, die an eine Haftentscheidung zu stellen sind, die bei Änderung der Haftvoraussetzungen nach Ende der Hauptverhandlung und vor Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe ergeht.
Im Verfahren der Haftprüfung nach § 117 StPO und ebenso nach § 268b StPO hat das zuständige Gericht stets eine neue, selbständige Prüfung des dringenden Tatverdachts, der Haftgründe sowie der Verhältnismäßigkeit der Haftfortdauer vorzunehmen. Erfolgt - wie vorliegend - eine Verurteilung, die vom Vorwurf des Haftbefehls abweicht, muss der Haftbefehl der Verurteilung angepasst werden (OLG Karlsruhe wistra 1991, 277). Eine solche Anpassung ist hier zwar dadurch, dass das Landgericht den Haftbefehl "nach Maßgabe" des ergangenen Urteils aufrecht erhalten hat.
Das Landgericht hat aber weder im Haftfortdauerbeschluss vom 28.08.2008 noch - in genügender Weise - im Nichtabhilfebeschluss vom 09.09.2008 eine Begründung des vom Haftbefehl abweichenden dringenden Tatverdachts gegeben.
Grundsätzlich erfordert die anlässlich der Urteilsverkündung ergehende Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft (§ 268b StPO) keine gesonderte Prüfung und Begründung des dringenden Tatverdachts, da dieser in aller Regel bereits durch das verurteilende Erkenntnis hinreichend belegt wird (vgl. BGH NStZ 2004, 276, 277). Dies gilt jedoch zunächst dann nicht, wenn der Angeklagte - wie vorliegend - abweichend vom Tatvorwurf des Haftbefehls verurteilt wird. Aber auch dann, wenn der Angeklagte entsprechend dem Haftbefehl verurteilt wird und er die Haftfortdauerentscheidung mit der Beschwerde auch oder gerade hinsichtlich des dringenden Tatverdachts angreift und noch keine schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, muss das erkennende Gericht in der Nichtabhilfeentscheidung zumindest knapp darlegen, weshalb die Hauptverhandlung den dringenden Tatverdacht bestätigt hat. Anderenfalls ist dem Beschwerdegericht eine Überprüfung des dringenden Tatverdachts verwehrt (so zutreffend OLG Karlsruhe StV 2001, 118). Zwar wird in der Nichtabhilfeentscheidung der abweichend vom Haftbefehl des Amtsgerichts Jena vom 26.02.2008 festgestellte Sachverhalt dargestellt. Es fehlt aber an einer knappen Darstellung der vom Landgericht vorgenommenen Beweiswürdigung. Wie der Verteidiger des Angeklagten zu Recht geltend macht, ist nicht erkennbar, worauf die Überzeugung des Gerichts von der Strafbarkeit des Angeklagten wegen sexueller Nötigung beruht.
Fundstellen
Haufe-Index 2577993 |
NStZ 2010, 200 |
NStZ-RR 2009, 123 |