Verfahrensgang
AG Erfurt (Entscheidung vom 01.10.2008; Aktenzeichen 31 F 1186/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Erfurt vom 01.10.2008 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Im vorliegenden Vaterschaftsfeststellungsverfahren ist dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin bewilligt worden.
Mit Schriftsatz vom 08.08.2008 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, ihre Vergütung - bezogen auf einen Gegenstandswert von 2.000 € - auf 229,55 € festzusetzen (1,3 Verfahrensgebühr, Post- und Telekommunikationspauschale sowie Mehrwertsteuer). Die Anrechnung einer hälftigen Geschäftsgebühr könne schon deshalb nicht erfolgen, weil sie diese mangels Zahlungsfähigkeit der Mandantschaft nicht erhalten habe. Mit Anweisung vom 22.08.2008 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung lediglich in Höhe von 126,68 € festgesetzt und dabei in Anwendung der Regelung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 der VV zum RVG eine 0,65 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV auf die Verfahrensgebühr angerechnet.
Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 04.09.2008 "sofortige Beschwerde" eingelegt, mit der sie sich gegen die Anrechnung der 0,65 Geschäftsgebühr wendet. Sie ist der Auffassung, die Anrechnungsbestimmung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV greife im PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht ein. Zudem sei eine eventuell vorzunehmende Anrechnung aufgrund der Bestimmung des § 58 Abs. 2 RVG primär auf die Wahlanwaltsgebühren vorzunehmen.
Das Amtsgericht hat die "sofortige Beschwerde" zutreffend als den statthaften Rechtsbehelf der Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung ausgelegt und diesen mit Beschluss vom 01.10.2008 zurückgewiesen. Es hat dabei die Auffassung vertreten, dass eine Anrechnung einer angefallenen Geschäftsgebühr auch im PKH-Vergütungsfestsetzungsverfahren vorzunehmen sei, zumal die prozesskostenarme Partei Beratungshilfe in Anspruch habe nehmen können. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache hat das Amtsgericht die Beschwerde gegen seine Erinnerungsentscheidung zugelassen.
Mit einem am 14.10.2008 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägervertreterin gegen den Beschluss vom 01.10.2008 Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf ihre Ausführungen im Erinnerungsverfahren Bezug genommen.
Die Beschwerde ist nach ausdrücklicher Zulassung durch das Amtsgericht gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
Bei der Vergütungsfestsetzung hat das Amtsgericht zutreffend die angefallene Verfahrensgebühr lediglich abzüglich einer 0,65 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV in Ansatz gebracht. Eine solche Geschäftsgebühr ist hier unzweifelhaft entstanden, da die Klägervertreterin ausweislich der Angaben in ihrem Schriftsatz vom 25.07.2008 außergerichtlich für den Kläger tätig geworden ist.
Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG wird die wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Entgegen einer verbreiteten Ansicht gilt diese Anrechnungsregel nicht nur im Innenverhältnis zwischen Mandanten und Rechtsanwalt, sondern ist im Kostenfestsetzungsverfahren stets anzuwenden und zwar unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten ist, ob sie unstreitig ist, oder ob sie geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist (BGH Beschluss vom 22.01.2008, Az.: VIII ZB 57/07, m.w.N., Beschluss v. 30.04.2008, Az.: III ZB 8/08, Beschluss vom 03.06.2008, Az.: VI ZB 55/07, Beschluss vom 16.07.2008, Az.: IV ZB 24/07). Diese Grundsätze, denen der Senat in inzwischen gefestigter Rechtsprechung folgt, gelten auch für die Vergütungsfestsetzung nach Prozesskostenhilfebewilligung und Beiordnung (Beschluss des Senats vom 15.05.2008, Az.: 3 WF 151/08, Beschluss des Senats vom 20.08.2008, Az.: 3 WF 312/08, Beschluss des 9. Zivilsenats des OLG Jena vom 13.06.2008, Az.: 9 W 250/08; LAG Düsseldorf, Beschluss v. 02.11.2007, Az.: 13 Ta 181/07; OLG Oldenburg, Beschluss v. 27.05.2008; Niedersächsisches OVG, Beschluss v. 25.04.2008, Az.: 13 OA 63/08; VG Minden, Beschluss v. 02.02.2007, Az.: 7 K 2057/06, Beschluss v. 28.02.2008, Az.: 1 K 287/06, Beschluss v. 24.04.2008, Az.: 8 K 1515/06.A; AG Bad Iburg, Beschluss v. 18.01.2008, Az.: 4 C 561/07; LG Osnabrück, Beschluss v. 04.10.2007, Az.: 10 O 2709/06 (242), JurBüro 2008, S. 247).
Die Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr auf eine sich anschließende Verfahrensgebühr rechtfertigt sich daraus, dass der Aufwand des Rechtsanwalts in dem Rechtsstreit ungleich geringer ist, wenn er bereits vorgerichtlich mit der Angelegenheit befasst war. Zudem soll durch die Anrechnung eine außergerichtliche Erledigung gefördert werden. ...